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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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Sofa, wie ein deutscher Ex-Sonderkommandosoldat, den manche seiner Geschäftspartner aufgrund seines Decknamens »Matjasewitsch« für einen Russen hielten, mit dem Stiefel gegen die besagte Tür und diese damit dem sich soeben von den Knien wieder in eine Art Stand hochrappelnden Attentäter ins Gesicht trat. Dann hob das flinke Scheusal seine Walther und feuerte einen krachenden Schuß ab, der dem Verrückten den Kehlkopf zerschmetterte, den Hals zerriß und das Leben nahm. Mit anderthalb Schritten war der Retter bei der vom Sofa geglittenen Senatorin und half ihr mit der starken Linken auf die wackligen Beine: »Itz ohl reit«, versicherte er in wenig hübschem Englisch, »ju niiht not wörri ennimore. It iss ofer.«
    Grüne Vorhänge, dachte die Senatorin verdattert, die sind ja unglaublich grün, schau mal an, und ich bin jetzt auf einmal ja doch nicht tot, was es alles gibt.

Sechste Minidisc-Aufnahme
    F: Was ist eigentlich dein Lieblings-Popsong? Ich meine, überhaupt, also unabhängig von äh der Lieblingsband oder … Weißt du, man hat ja oft …
    J: Ja, das Lieblingslied muß nicht mal zu der Musikrichtung passen, die man im allgemeinen bevorzugt. Ich weiß, was du meinst. Ich kannte mal einen Roots-Reggae-Fan, der wollte den ganzen Tag »This is England« von den Clash hören, weiß Gott kein Reggae.
    F: Genau. Also …
    J: Aber sag mal, gehört das eigentlich zu dieser Sache hier?
    F: Klar. Wenn wir hier aufzeichnen sollen, wie es in Wahrheit war, deine Geschichte und so … dann muß ich doch wissen, was für ein Song deiner Meinung nach …
    J: (lacht) Na gut. Bitte sehr. »Oh yeah« von Roxy Music.
    F: Echt? Welches ist das? Ich kenne bloß »Avalon« und …
    J: There’s a band playing … on the radio …
    F: Das? Das Ding? Das heißt »Oh yeah«?
    J: Oh ja. Oh yeah.
    F: He, hm, stimmt, das ist toll, das ist …
    J: Von 1980. Da war ich gerade dreizehn, ist es zu glauben?
    F: Geht’s dir eigentlich wieder besser?
    J: Ja. Ja, doch, jetzt wo du fragst … ich glaube, das Zeug ist jetzt komplett resorbiert. Das Dreckszeug aus Ianthes Spucke. Ich bin wirklich wieder … auf dem Dampfer, glaube ich.
    F: Und warum gefällt dir der Song so? Was ist daran das …
    J: Wie der Refrain plötzlich aus dem elegischen Geschnulze von Ferry raus aufbricht, irgend… irgendwohin, dieses große Signal, Vorhang auf, der Glitzerregen, die Scheinwerfer, dieses Nach-oben-getragen- Werden vom warmen Wind … So stelle ich mir das vor, den Moment, wenn die verkehrte Welt zusammenkracht. Im Moment der Revolution, wenn die Geschichte wieder wahr wird, statt bloß wirklich zu sein. Wenn das falsche Vakuum kollabiert.
    F: Falsches … hm?
    J: Falsches Vakuum. Hat mit Kosmologie zu tun. Damit, daß Sachen sich in einem bestimmten Energiezustand befinden, verstehst du, der ihnen angemessen ist oder nicht … daß sie immer auf den springen, runterfallen müssen, der eigentlich wahr ist. Das Universum, das wir bewohnen, die verkehrte Welt: Das ist ein verkehrtes Vakuum, dessen Energie …
    F: Ein Vakuum hat eine Energie?
    J: Yup. Siehst du, in dem Moment, in dem Bryan Ferry anfängt zu ­croonen: There’s a band playing … in dem Moment gibt es eine Sym metriebrechung, und wenn das soziale Äquivalent zu dieser Schönheits-Sekunde irgendwann eintritt, dann wird die Experimentalphysik sich wundern, von wegen: Wo der Higgs-Mechanismus eigentlich herkommt, warum sie das Higgs-Teilchen so lange nicht gefunden haben …
    F: Bitte wen?
    J: Ein Boson. Ein Teilchen, das sie suchen, weil sie nicht wissen, was mit der Welt passiert ist. Ich müßte dir jetzt einen Haufen Physik erklären, was der Dirac-Operator ist, Eichtransformationen, chirale Supersymmetrie, Superfelder, das bosonische und fermionische Massenspektrum …
    F: There’s a band playing …
    J: Genau. Also, lassen wir’s lieber.
    F: Aber is’ schon wichtig, oder? Für die ganze beschemselte Dokumentation, die …?
    J: Ja, irgendwie schon. Falls du verstanden hast, was ich eigentlich …
    F: Du hast unter Heranziehung eines Gleichnisses, das sich auf einen Song von Roxy Music bezieht, angedeutet, daß die Physik unserer Welt nicht stimmt, weil irgendwelche esoterischen Science-Fiction-­Kommu­nisten besiegt wurden, anstatt ihre unbegrei flich e Revolution durchzuziehen, die irgendwie auch noch mit einer Freundin aus deiner Jugend zu tun hat, die, glaube ich, Sonja heißt. Nee, warte: Svenja.
    J: Stimmt. Stimmt alles ganz haargenau, Freddy. Ich bin

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