Für immer in Honig
einer großen transatlantischen Frage darauf hat ankommen lassen, den Vereinigten Staaten einen Gefallen nicht zu tun. Kennen Sie die Meinungsumfragen in meinem Land?« Die Frage war rhetorisch, der Diplomat gab ein mißbilligendes Brummen von sich: Hatte er Zeit und Lust, sich mit deutschen Meinungsumfragen zu beschäftigen, wo er übermorgen in Durban erwartet wurde, und in anderthalb Wochen in Tokyo?
Das flinke Scheusal breitete die Hände aus, als wollte es sagen: So kann’s kommen, und sagte dann statt dessen: »Vor einem Jahr waren 68 % aller Deutschen der Meinung, eine Führungsrolle Amerikas in weltpolitischen Dingen sei etwas Wünschenswertes. Heute sind es noch 45 %. Dafür wollten seinerzeit 48 % der Deutschen den Aufstieg Europas zur Supermacht, jawohl, Sie hören richtig, möglichst bald erleben, während es inzwischen 70 % sind, von denen allerdings, das ist das Tröstliche, wiederum viele die Ansicht vertreten, die neue Supermacht solle durchaus mit Amerika kooperieren.«
»Supermacht«, sagte der Diplomat, wie man das Wort »Hodenkrebs« aussprechen würde, wenn einen so etwas nachdenklich stimmen könnte.
»Ich will Ihnen also ganz deutlich sagen, was ich in Wirklichkeit von Ihnen will«, fuhr das flinke Scheusal fort. Das war die Unwahrheit. Das flinke Scheusal beabsichtigte nichts dergleichen. Was es dem Diplomaten gleich mitteilen würde, war nach Umfang und Wahrheitswert vollständig von der taktischen Seite eines langgehegten Plans bestimmt. Das flinke Scheusal war Soldat mit Leib und Seele, ein Krieger, dem alles eigen war, was schon die Krieger besessen hatten, die noch zu Pferd und mit dem singenden Stahl in der Rechten gegen den Feind ausgeritten waren, mit Ausnahme, ach leider, eines Ehrbegriffs.
Das flinke Scheusal konnte man für diesen Mangel indes nicht verantwortlich machen. Es war eben ein historisches Produkt der deutschen Sicherheitsentwicklung, die mit dem Massaker arabischer Irrer an israelischen Sportlern im September 1972 auf einem vergleichsweise kleinen Flughafen in Bayern begonnen hatte, und in deren Verlauf allerlei schmucke Spezialeinheiten, Grenzschutzgruppen und Sondereinsatzkommandos von einer Motivationsstärke und einem Elitebewußtsein gebildet worden waren, wie sie das deutsche Kriegerdenken seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr erlebt hatte.
Das flinke Scheusal sah sich selbst folglich als einen der Männer, die geeignet waren, solche Einheiten aufzubauen, eine Führungspersönlichkeit, wie Ulrich Wegener, der Held von Mogadischu. Weil man ihm aber seit einiger Zeit nichts in dieser Richtung zu tun gab, sah es sich außerdem als Opfer bürokratischer Kleingeisterei, als einen Helden, den ein paar vernagelte Stubenhocker und Amtsschimmel aus dem Verkehr gezogen hatten, nachdem er seine letzte Aufgabe im Dienst von Bund und Ländern, den Kampf gegen eine Sekte namens »Benandanti«, vor allem fiskalisch in unerforschte Gewässer gesteuert hatte: Einige der Beschaffungsgeschäfte, welche die geringen ihm ursprünglich für diesen Kampf bereitgestellten Ressourcen hatten aufstocken sollen, hatten sich am Rande dessen ereignet, was im beschränkten Horizont solcher Erbsenzähler das »Terrain der Legalität« vorstellte. Er war freigestellt, suspendiert, abgeschoben worden, als die letzte wichtige Aktion, eine Großrazzia in sieben deutschen Städten, ein bißchen aus dem Ruder ge laufen war (elf Todesopfer, von denen glücklicherweise die Medien nichts mitbekamen; daß die Benandanti als Geheimorganisation keine der Scientology Church vergleichbare Öffentlichkeitsarbeit, ja überhaupt nichts dergleichen betrieben, stellte sich bei ihrer Zerschlagung als großer Vorteil dar).
Das flinke Scheusal wollte, was es kurze Zeit getan hatte, wieder tun dürfen: Es wollte eine Truppe führen, wollte Befehlsgewalt, ob über Rekruten oder Söldner, war ihm beinahe egal. Das, nicht irgendeine nebulose Westbindung und Staatenstabilität, waren seine Wünsche.
Und doch log es ganz ohne Scham und Arg dem Diplomaten mitten ins Gesicht: »Ich denke, daß wir uns um Balance sorgen sollten, um gegenseitige … Stützen und … Verstrebungen. Ich denke, mit dem, was ich weiß, kann ich der ehemaligen Ministerin von Nutzen sein. Ich bin Soldat, und nichts ist mir deshalb lieber als das Gefühl, ich wäre nützlich.«
»Warum sie? Warum die ehemalige Außen…«
Das flinke Scheusal hob die Rechte, als bäte es um Auszeit, und unter brach, breit lächelnd: »Bitte, wir sollten
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