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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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beeindruckt.
    F: Tja, eine Eins in Auffassungsgabe, weißt du. Hatte ich immer.
    J: Komm her.
    F: Recorder ausschalten?
    J: Klar.
    (Rascheln, dann der Click)

DREIUNDZWANZIGSTES KAPITEL
    Diese Schienen • Polemogenesis • Ricorso (Schraube) • Back in the Village • Dies Labyrinth der Flammen (Meer des Irrtums revisited) • Angst vor dem eigenen Mut • Ganz nah • Kanonenfutter • Zwei • Um einen Hitler von innen • Aus jedem Stamm • Ich kann nicht weiter • Befehle • Nackig
    1  »Jennifer«, flüsterte Valerie Thiel und schaute dabei aus meinen Erinnerungen in die Welt wie der Spatz aus dem Nest. Diese Erinnerungen waren in ihre Kopflandschaft eingebettet, wie draußen Sterne und Nacht in die sehr großen Mulden der vorübergleitenden Berg- und Talwelt.
    Jennifer, mit deinen blutorangenfarbenen Haaren, Jennifer, mit deinen grünen Augen. Der Zug ratterte und rumpelte gedämpft, die Scheiben klirrten zittrig. Was für ein Schund sind diese deutschen Schnell- und Ultraschnellzüge bloß, in Holland, der Schweiz oder Frankreich hab’ ich so was nie erleben müssen. Jennifer, in deinem Kleid aus tiefstem Purpur. Jennifer, wo bist du heute nacht?
    Alanis Morissette, lang verheimlichte Lieblings-Popsängerin von Astrid Riedler, sang Valerie in die sauberen kleinen Ohren: Why do I try to change you / try to change you when you really don’t want me to?
    Schöninchen hörte sich diese CD jetzt zum vierten Mal an, seit sie Berlin verlassen hatte. Ein großer Teil ihrer wichtigen Reise lag schon hinter ihr. Leider nicht der gefährliche.
    Wenigstens hatte sie viel Musik dabei, in der Reisetasche von Dieter Fuchs, zwischen all den Messern und Stichwerkzeugen. Noch einmal so viele davon trug Schöninchen am Leib. Die Tasche lag auf dem Bord über ihrem Kopf, der kaum merklich nickte, im Takt zum Rattern und Zitterklirren, Holland Schweiz Frankreich Sternennacht irdisch Welt Dunkel.
    Manchmal, wenn sie gerade keine Musik hörte, glaubte sie auch das Singen der Klingen über ihrem Kopf zu spüren, in den Nerven, den Knochen, weine nicht, wenn der Regen fällt, dam dam, dam Damokles. Der Discman Marke Orion war ein Geschenk von Robert, fiel ihr ein, im Gedenken an Jennifer. Alanis Morissette widersprach der Schöpfung Mensch: »Try to love me when you really don’t want me to … «
    Immer dasselbe Lied.
    Immer dasselbe Elend.
    Nämlich? »Mit ihrem Geltungsdrang erbauen die Männer das kapitalistische Unterdrückungssystem«, wo war das jetzt her? Genau andersrum wär’s ja erst wahr, übrigens: Mit seinem universalen, durch das im Äquivalenzmittel Geld codierte Tauschsystem stabilisierten Geltungsanspruch schuf das kapitalistische Unterdrückungssystem am Fließband ständig diese ganzen nutzlosen Männer.
    Alanis Morissette: »You go back to the centre of your universe« . Es ging in dem Song um den egoistischen, gepanzerten Mann als solchen. Panzer und Rinde, phantasierte Valerie schläfrig, denn sie sah in der Spiegelscheibe des Abteils, wie schön ihr Gesicht war, mit dem verletzten Auge, den verschorften Schürfwunden, dem Einschnitt, den vor ein paar Stunden junges, jetzt aber schwarz geronnenes Blut wie Harz verschlossen hatte, quer auf der reinen, hohen, glänzenden Stirn: Panzer und Rinde, rechts ein Baum, links eine Bäumin.
    »Und noch was, was ich nicht verstehe«, hörte sie Jennifer Brunner in meiner ihrer Erinnerung sagen, »diese ganzen Bürgerkinder, die sich für links halten den ganzen Tag und dann Veranstaltungen machen über die Fehler der dogmatischen historischen Linken, und wenn ihnen das mal langweilig wird, gern auch Gesprächsrunden darüber, was Wissenschaftler, Philosophen und Künstler so alles auch noch dauernd falsch machen, und Artikel schreiben sie erst recht, Essays und Bücher über die Vorteile und Nachteile der Wiederkehr überlebter Kritikformen und über vor allem … mal im Ernst: Wen wollen die verarschen? Was ist denn, bevor wir das vergessen, das Normale, wenn man plötzlich wirklich mal politisch links draufkommt? Das Normale ist doch, daß man sich sofort organisiert. Denn man will ja was erreichen. ›Die Linke‹, die Großformation aller politischen Weltverbesserer außer einem selber, samt den darin enthaltenen Künstlern und Philosophen, das interessiert einen doch gar nicht, wenn man neu dazustößt, was die alles falsch macht oder nicht, das entscheidet sich eh alles praktisch, spürt man gleich. Man wird doch nicht Fraktionskämpfer oder

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