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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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Gesicht, neugierig, verwundert, und sagte: »Wenn du leben willst, komm mit mir.«
    »Haben sie ihn liquidiert? Wo ist Utzer? Wo sind diese ganzen Kriechtiere? Antworte!« schrie der Zombotiker in seinen Sprechbügel. Das Schützenfahrzeug rumpelte über die Bahngleise nördlich der Oberfeldstraße, als letztes im Konvoi, Truppen folgten im Laufschritt.
    Die ganze Zone war gesichert. Vor den Geschäften standen Wachbefohlene. Noch immer läuteten die Glocken.
    Die Männer, die nicht wußten, wie man zweifelt, hatten die Stadt jetzt abgeriegelt, die B 317 war an beiden Ortsausfahrten waffenstarrend verschlossen. Einundzwanzig Tiermenschen waren vernichtet, sechzehn gefangen, am Fluß zusammengetrieben. In zwei Kirchen waren weitere W, außerdem Asoziale und Kriminelle interniert. Auf dem Friedhof fand eben die dritte Erschießungsgroßveranstaltung des Tages statt. Kriegsgetön verminderte sich bereits, Ordnung rastete ein, Berichte sammelte man schon sehr geradeaus und effektiv, auch aus den anderen Gegenden überall. Letzte Fluchtwege sollten zügig versperrt werden, im Süden vor allem, zum Hügelland und den Schulen hin, Waldorf und Gymnasium, auch nach den Wäldern im Osten.
    Der Morgen wurde Mittag. Der Bürgermeister fluchte: »Antwortet mir endlich! Was ist denn da los bei euch?«, er wünschte mit seinem Panzerkommando zu sprechen.
    Nichts war zu hören, der Empfang ein Knistern. Er trieb die Leibwache zur Eile, wollte sich selbst überzeugen, weit weg war er nicht mehr vom Schauplatz.
    »Weißt du, wer kommen wird und uns abholt?«
    »Nö«, sagte Valerie.
    »Weißt du, wann sie kommen?«
    »Keine Ahnung.«
    »O.k. Ich frag’ ja nur. Mußt nix antworten.« Andy rieb sich die Beine, die Schenkel, flappte mit den Armen um die Schultern wie ein Albatros mit seinen müden Flügeln. Er saß auf dem niedrigen Mäuerchen um die Fahrradständer. Wenige Fahrräder waren drin festgemacht, die Schule fiel heute aus. Schöninchen kämmte sich mit den Händen behelfsmäßig die in tolle Unordnung geratenen Haare und sah, nostalgischer Empfindungen aus meinem Herzen voll, zu den alten Wellblech-Regen-Unterständen, dem umlaufenden Holzgeländer. Auch freute ich mich drüber, daß das Telefonhäuschen noch stand und nicht von einem dieser Scheiß-Metall-Totempfähle verdrängt worden war.
    »Wird überhaupt wer kommen?« quengelte Andy noch einmal, wenn auch vorsichtig im Tonfall. Er fragte sich allmählich, ob es eine gute Idee gewesen war, mit dem Windkind mitzulaufen.
    »Klar. Wenn keine Rettung kommt, dann kommt zumindest die Wehr­macht und macht uns platt. Ich hau’ vielleicht noch ein paar von denen meine Messer durch die Köppe, dann werde ich von Kugeln durchsiebt, und batsch, schon steht breit ›Ende‹ auf der Leinwand.«
    »Hast du Zigaretten?«
    »Klar.« Schöninchen holte ein Päckchen aus der Innentasche ihres Blousons, fingerte ihr Feuerzeug aus der Hose. Andy nahm beides, zog eine Zigarette raus, zündete sie an, hielt das Päckchen Valerie wieder hin.
    »Nee, behalt mal.«
    Dann sahen beide den grünen VW -Bus, Valerie schon vor dem Hupkonzert, Andy erst danach. Er fuhr auf keinem Weg und keiner Straße, einfach querfeldein über die Wiese neben der großen Sporthalle, und wackelte absurd hin und her. Am Steuer saß ein Mann mit langen dunklen Haaren, die ihm malerisch über beide Schultern fielen. Er trug ein Westernhemd, die Kragenecken blitzten, sein pechschwarzer Asterix-Schnauzbart glänzte gut geölt. Der Hupton war melodisch: die Torero-Arie aus »Carmen« sollte es sein, sowohl Andy wie Valerie hatten die Tonfolge schon oft gehört, wußten aber beide nicht, woher sie stammte.
    Das Messermädchen und der Verletzte stolperten unterschiedlich schnell auf das sich rasch nähernde Auto zu, buchstäblich über Stock und Stein und langsam tauenden, brockigen Rasenboden. Dann drehte der Wagen bei und hielt an, mit tuckerndem Motor.
    Die Hecktüren, den Herbeitaumelnden halb zugewandt, wurden aufgerissen. Eine Frau mit weißen Haaren, circa Mitte bis Ende Zwanzig, saß auf einem plüschigen roten Sitzsack. Das Innere des Autos war diffus blau-violett erleuchtet und schien unverhältnismäßig größer, länger, tiefer zu sein, als man von außen annehmen konnte. Stoffbespannte Wände, wunderte sich Andreas, war das Samt?
    »Rein mit euch!« rief Cordula Späth, und half erst Valerie, dann Andy in den Wagen.
    »Sind das alle? Robert Rolf, Philip Klatt, Jenny Brunner, wo sind die? Ist jemand von euch

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