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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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und machen Sie sich keine Sorgen um Ihren Hunger. Sie werden etwas Besseres finden als Hunger, wenn Sie das Essen erst vor sich stehen haben.«
    »Was … Besseres«, grummelte ich. »Roswell« wurde gerade von Werbung für Frauen-Hygienebedarfsartikel unterbrochen.
    »Appetit«, lachte Skriba leise und legte grußlos auf.
    Ein besonders orthodoxer Jude ist mein Freund Skriba nicht. Ich habe ihn nie mit dem Käppchen gesehen – daß er eins tragen könnte, darauf kam ich erst in der Eukalyptus-Kneipe (so oder ähnlich hat John oder Jerry sie mir bezeichnet), weil dort andere saßen, an dem langen, sehr reich gedeckten Tisch. Humus kannte ich ja schon, den leckeren Brei aus Hülsenfrüchten, und daß kalte Krüge mit Limonade da standen, neben Körbchen mit duftendem Knoblauchbrot, erinnerte mich ebenfalls an meine erste Israelreise. Das Lamm und die anderen Grillfleischgerichte, die man uns servierte, die aus abwegigem Gemüse gekochte dicke Suppe, die »fine, fine eggplant«-Sachen (John / Jerry), das alles schmeckte besser, als ich es das letzte Mal in diesem Land oder überhaupt je irgendwo gegessen hatte. Skribas Prophezeiung betreffs Appetit bewahrheitete sich völlig. Wir, etwa ein Dutzend Leute, hatten das mit allen möglichen Lampen, Leuchtern, Tüchern und Holzskulpturen, letztere teilweise eher afrikanisch, gründlich vollgestellte Tafelsälchen ganz für uns. Wir waren vor dem King David mit einer Limousine abgeholt worden. Der Jeep sollte erst übermorgen wiederkommen, rechtzeitig zur Weiterreise. Dieser Abend war also eine festliche Pause im paramilitary lifestyle – selbst die Chica trug ein Kleid, und John/Jerry, den die meisten andern hier als »Mister Corvette« oder ähnlich anredeten, hatte einen dunklen Anzug an, der eher noch besser aussah (und zweifellos besser saß) als meiner. Dem wurde ich sowieso nicht ganz gerecht, fürchte ich: Ich wußte nicht, und werd’ nie wissen, wie man so was trägt.
    Die Deutsche mit den Kindern war auch da – nur eins der beiden, den etwas älteren Jungen, hatte sie dabei; er war damals vier oder fünf und hielt sich brav, obwohl außer seiner Mutter und Skriba, vor dem er keine Angst zu haben schien (auch vor mir übrigens nicht, und ich sah und sehe kaum vertrauenerweckend aus), niemand je mit ihm redete. An wen erinnere ich mich noch? Natürlich hauptsächlich an Leute, die ich später öfter gesehen habe: die japanischen Zwillinge, den Waffenexperten aus Nablus und seinen blinden Bruder, die ich damals auf Anfang Dreißig schätzte, eine alte Frau, die heute im Camp wohnt.
    Skriba schlug nach den Vorspeisen kurz mit der Gabel an sein langstieliges Glas, stand aber nicht auf – er bewegt sich formell, wenn es sein muß, aber eben auch langsam, und vielleicht fand er, daß es zu steif wäre, zu lange dauern würde, wenn er sich erst umständlich erhob. Er hielt eine kurze Ansprache auf hebräisch, die häufig von Lachern fast aller Anwesenden (die Chica und ein verschlossener, aber wie ich später lernen sollte, sehr hilfsbereiter Araber waren außer mir die einzigen, die diese Sprache nicht verstanden) unterbrochen und nach ihrem Ende sehr beklatscht wurde.
    Ich kam ein wenig mit der Mutter ins Gespräch, sie hat mir auch ihren Namen gesagt, aber ich vergaß ihn gleich und habe sie erst vor einem Monat hier wiedergesehen – hoffentlich unterhalten wir uns bald mal, »wieder anknüpfen« werden wir unser damaliges Gespräch nicht können, sie erinnert sich sicher genauso wenig dran wie ich.
    Ich fühlte mich jedenfalls auf dem Bankettchen bald, als gehörte ich zur Gruppe: Nicht alle schienen hier alle zu kennen, aber jede und jeder respektierte Skriba als den Gastgeber, der, zum Beispiel, die Getränke nachbestellte – einer der Jungs, die das Zeug auftrugen, war übrigens Zombotiker, fällt mir jetzt ein, von wegen: Es gab schon keine mehr im damaligen Israel, stimmt eben doch nicht. Der Unterkiefer und drei Finger seiner rechten Hand glänzten, stramm verschraubt und auf Effekt poliert.
    Nach dem Essen saßen Skriba, die Mutter – das Kind war auf ihren Knien eingeschlafen – und ich auf den hellen Treppenstufen unter Straßenbeleuchtung vor dem Lokal und tranken würzigen Anis-Schnaps aus Gläsern, redeten über deutsche Zustände, in meiner Heimat, where the dead walked and the living were made of cardboard .
    Andere aus unserer Gesellschaft standen oder saßen in kleinsten Gruppen auf dem Rasen oder an einem Brunnen. Einige gingen früh, der

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