Für immer in Honig
einer Flucht, deren Plan mir niemand erklärt hat, mal in Jerusalem, dann am Meer (vor allem Cäsaräa), dann wieder hier oben, wo immer das ist. Vielleicht wäscht Zeit ja wirklich jeden Menschen sauber.
Es tut mir gut, wieder zu schreiben. Ich spiele mit den Zehen im Sand – was soll ich auch sonst machen? Meine tägliche Internetkontrolle ist vorbei, noch immer finde ich keine der Seiten online, die früher die häufigst frequentierten waren: Die aktuellen vor allem, von CNN und SPIEGEL Online bis zu den Blogs der Verschwörungsspinner und Militärgeschehensbeobachter, sind weg. Nichts, was man davon noch reinkriegt, hat Updates erfahren, seit Jahren nicht. Die Server stehen, heißt es, noch irgendwo rum, aber weil keine Suchmaschine mehr erreichbar ist – selektiv geblockt, gelöscht, aufgehoben, was weiß ich, kann ja nicht mal UNIX –, kriegen wir nur zeitlose Sites, an deren URL wir uns aus irgendeinem Grund erinnern: die Dickens-Gesellschaft, das Archiv der Geologen Finnlands, Hausfrauenporno, der Dallas-Fanclub.
Staub, Sand und Wüste.
Ich blogge offline , falls sich was ändert.
Sechshundertzweiunddreißigster Tag
»Schreiben Sie das mit der Katze auf. Es ist wichtig.«
Du mich auch. Ich bin ein verlorengegangener Mann auf einer verlorengegangen Welt, ich glaube nicht mal mehr an die Menschen im Fernsehen – nicht, daß wir hier draußen Fernsehen hätten. Der Waffenhändler, Mr. Siedler, sagen sie, liefert uns nichts mehr. Er liefert jetzt an den Kapuziner.
Sechshundertsechsunddreißigster Tag
Ich kann ziemlich schnell laufen.
Ziemlich hoch springen auch. Hab’ ich heute am Fluß gemerkt.
Yakov: »Don’t treat this body of yours like it was made of brittle wood.«
Ich dachte halt, weil ich doch ein Auferstandener bin und meine Haut zum Teil aus Papier besteht – das allerdings wasserabweisend zu sein scheint, was mir erlaubt, mich zu waschen und zu rasieren –, daß ich aufpassen müßte. Rohes Ei. Dem ist nicht so, was mir Skriba neulich mal zu erklären versucht hat, unter Verwendung zahlreicher altgriechischer Ausdrücke wie Nepenthes und Pharmaka, die alle gern sofort der Teufel holen soll. Ich bin also stark, ich kann, wenn ich mich aus Angst davor, in den Fluß zu fallen, an einem dicken Ast festhalte, diesen Ast vom Baum wegbrechen. Wußte ich bis heute nicht.
Abends erzähle ich der deutschen Mutter davon, beim Pfannkuchenbacken, und sie lächelt gequält: »Ja, man könnte wirklich meinen, du wärst noch für was anderes hier als zum Faulenzen und Internetsurfen.«
Dann hat sie wieder mit ihren Kindern zu tun. Aber mir ist ziemlich unwohl, von diesem Moment an, als ob ich die andern im Camp um was Wichtiges betrüge.
Sechshundertvierzigster Tag
Heute – als müßte sich sofort alles ändern, wenn ich es mal aufschreibe – habe ich also doch einen Militärspinner-Weblog aus der Nähe von Washington reingekriegt. Der Server steht offenbar bei dem betreffenden Typen im Keller, wenn denn stimmt, was er selbst schreibt. Yakov sagt mir, daß das nicht sehr wahrscheinlich ist mit der »Nähe von Washington«: Den hätten Hillarys Leute längst gefunden und ausgehoben, »Web-Silence is holy to them, they would never jeopardize the little bandwidth they have left, and for private use like that to boot. The guy’s probably operating from somewhere in Europe, NATO -West-Territories or something.« Die Nachrichten, die er bringt, sind jedenfalls nicht ermutigend: »Chinese Pneumonia spreading … taylormade viruses … immunization campaign … hearing on W issues at the UN . W Spokespeople: We can go into contaminated areas, plagues won’t kill us. Solanum synthetization seems as yet a very distant promise, new diseases to be expected .«
Von diesen W und ihren politischen Sprechern liest man auch gelegentlich in den amerikanischen Zeitungen, die Skriba im Camp neuerdings zuläßt. Worum es sich dabei genau handelt, ist unklar: eine neue politische Bewegung, eine Religion, oder Leute, mit denen irgendwer irgendwelche genetischen Experimente veranstaltet hat, oder Mutanten? Keiner will mit mir drüber reden, es scheint allerdings auch keiner was zu wissen, außer dem Chef.
Die Chica meint, drauf angesprochen, bloß knurrig, daß es was mit den Viechern zu tun hat, die seit dem Vorrücken der Zombies auf die großen Städte überall rund um diese Städte gesichtet werden: »Lobombres«, »Vampires« und andere »Aliens«.
Schöne neue
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