Für immer in Honig
trifft. Judo. Denkt er, ich wäre hinter Karin her? Hat sie doch gemerkt, daß ich sie gesehen habe, hinterm Zelt? Ich rapple mich auf, er wirft mich hin. Knochenweh.
Was denkt er von mir?
»Was ist denn los, steh doch auf.«
Was denkt er?
»Was überlegst du? Wie ich deine Performance finde?«
Ich lache, stimme zu.
Er spuckt auf den Boden: »Du warst ein großer Fisch in einem kleinen Teich, damals in Deutschland. Das ist vorbei. Es ist nicht wichtig, wie dich jemand findet. Man kämpft nicht um Anerkennung, wenn man wirklich kämpft.«
»Worum dann?« frage ich, mit Dreck zwischen den Zähnen.
»Man kämpft, um zu gewinnen.«
Er wirft mich wieder hin.
Ich stehe wieder auf. Ich bin von meiner Haut bedeckt, niemand kommt da rein.
Siebenhundertachtundzwanzigster Tag
Endlich weiß ich, was das nachts für Schüsse sind.
Manöver, am Fluß, die Unsrigen machen sich bereit für den Fall, daß die zombotischen Syrer einfallen. Chica hat anscheinend geäußert, daß wir uns mit den Kapuzinerleuten zusammentun sollten: »They’re at Lake Tiberias now. All we have to do is send an emissary. He controls seven camps, lots of islands. He’s tough. We should throw our lots together.« Aber Skriba will davon nichts wissen: »Wir können uns selbst verteidigen. Wir üben es jeden Tag.« Beruhigend, das jetzt doch mal zu wissen, was wir hier eigentlich machen.
Siebenhundertdreißigster Tag
Valerie in einem silberfischchenglitzernden Tanktop, eine schwarzweißkarierte Pepitastrickjacke drüber, enge karierte Hose, schwarze Blümchensandalen, böse sexy blinzelnd, an die Wand gelehnt in der Berliner Redaktion, Büro des Kollegen von der Literatur bei der Sonntagszeitung, wo ich manchmal gearbeitet habe, was war das für ein Tag? Sie hat mich abgeholt. Wir sind in die Deutsche Guggenheim, eine Videoleinwand anglotzen. Warum habe ich das fotografiert? Weil ich Valerie dauernd fotografiert habe, um sie wenigstens in ihrer Abwesenheit ganz für mich zu haben, auf diesen Bildchen. And she obliged very willingly.
Wörter aus dem Katalog sind meine Wörter für Valerie: »knallgelber Rolli«, »lilafarbene Strumpfhose«, »schwarze Lackstiefeletten«. Das waren Zeiten ohne Hoffnung, im Nachhinein vielleicht gerade deshalb sogar sehr erbaulich, damals undurchschaubar. Wer war ich? Welchem Regime wollte ich zuarbeiten, mit den Klamottengeschenken, Fotos und Exkursionen?
Chrésis aphrodisión, am Arsch. Was habe ich ihr eigentlich je mit ge teilt, vom Sinn und Zweck des Ganzen? Wasch dir den Rücken, stich mir keinen Dolch in meinen, geh nicht mit mir ins Bett, sondern mit Gleichaltrigen, aber erst, wenn das Projekt vorbei ist, leb dein Leben, damit du meins nicht zu genau beobachtest, versteck dich in den Klamotten, die ich dir kaufe, damit du nicht so deutlich leuchtest. Dann hielt sie meine Hand, und ich fing an zu lügen, damit sie lächelt.
Hat sicher auch das benutzt, was ich wollte, um zu kriegen, was sie wollte. Nur daß ich, ist das nicht drollig, nie erraten habe, was das denn nun gewesen ist, was sie wollte.
Wie süß bist du, wie süß kann man sein?
Jag den Hasen, hol das Stöckchen, ich dreh mich um mich selbst, bis mir schlecht wird, für sie, sie dreht mir paar neue Gewohnheiten an, tauscht bißchen Herzschmerz gegen Geschenke, ich renne davon und komm wieder: So ging das ganz leicht. Hält meine Hand, die Maus, und ich lüge fürs Lächeln.
Drückt fester zu, ich lüge immer noch, da capo.
Sie hielt den Stift, mit dem »Ende« druntergeschrieben wurde.
Hat selbst gesehen, wie mich ein paar Figuren mit schlechten Tischmanieren aus dem Bekanntenkreis ihrer Eltern verspeist haben. No use looking for me, leider bin ich tot.
Was sollte also das Ganze? Wo fand es eigentlich statt?
Zeiten ohne Hoffnung, es bleibt dabei.
Siebenhundertvierunddreißigster Tag
Ich komme mir immer so blöd vor, so kindergeburtstagsmäßig ahnungslos enthusiastisch verschwenderisch, wenn ich eine halbe Mauerfront weggeschossen habe, mir der Arm wehtut und die Hand heiß ist, als hätte ich einen Glühschwanz gewichst. Ich sage es Corbett, der schüttelt den Kopf: »Sei froh, wenn es dir noch Spaß macht. Wenn du es brauchst, macht es keinen Spaß mehr.«
Wir gehen ein Stück an den Ausschachtungs- und Innenverkleidungsarbeiten hinterm Silo vorbei, Skribas Keller wird bald fertig sein, man sieht schon Treppen.
»Wieviel Patronen schießt das Ding eigentlich in welcher Zeit?« will ich über mein umgehängtes Gewehr wissen.
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