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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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– so heißt die junge Frau – alle Götzen des verwesenden Kapitalismus vertreiben.«
    »Und du? Glaubst nicht dran?«
    Skriba schnaubt, nimmt die Pfeife, klopft sie überm Teppich aus. Die Asche wird von der Wolle magisch aufgesogen, ich will nicht genau hinsehen. Er steckt die Pfeife zurück in den Mund. Schmaucht. Ein Wölkchen, zwei. Drei. Dann sagt er: »Glauben, mein Sohn, ist das einzige, das von Wert ist, und darum oft genug etwas Entsetzliches. Ich will dir etwas über den Messianismus verraten, wie ihn die Verehrer des Kapuziners pflegen, wie ihn auch die Person pflegt, die mich neu … erweckt hat: So ein Messianismus verwechselt Politik mit Religion, das heißt, er glaubt, einer spirituellen Sache zu dienen, und dient einer rein innerweltlichen. Es ist keine gute Sache. Ich weiß nur von einem einzigen Menschen, bei dem es jemals umgekehrt war. Sein Messianismus war lauter, er glaubte, einer weltlichen Sache zu dienen, und war doch fromm. Am Ende hat er sich umgebracht, auf der Flucht vor …«
    Ich kann den innern Musterschüler nicht im Zaum halten: »Walter Benjamin? Du kanntest Walter Benjamin?«
    Sehr sanft fragt mich der Alte: »Du weißt nicht, wie ich wirklich heiße, nehme ich an?«
    »Nein, ich … also in … ich bin nicht so gut in äh Philosophiegeschichte.«
    Er winkt ab, amüsiert, wenn ich’s richtig deute, räuspert sich und sagt: »Oder Judaica, offensichtlich. Die Person, die mich aufgeweckt hat, weiß nicht, daß ich inzwischen gegen sie arbeite. Ich habe mir diese Entscheidung nicht leichtgemacht, Junge. Aber ich muß es tun. Ihr Weg ist der falsche. Das Blut, das sie vergießen will, wird gegen ihre Brüder und Schwestern aufstehen. Die Schuld wird zu groß sein, auch wenn man früher mit mir über das Ziel hätte streiten können. Heute sind meine eigenen Ziele, nun, wir wollen sie pragmatisch nennen: Das schlimmste, das ich am Horizont erkenne, zu verhindern, würde mir schon genügen.«
    »Und ich darf helfen.«
    Er nickt.
    »Darf ich denn dann auch mal erfahren, was ich überhaupt machen soll? Wer diese ganzen Leute sind – Lena Dingenskirchen, Miß Rosenberg und die ominöse Täuferin, die ganzen gräßlichen Waffenhändler und CIA -Menschen und …«
    »Geduld hattest du nie. Das kannst du nachlesen, in einigen der Dokumente, die ich für dich aus Totentanzeuropa gerettet habe. Aber du wirst Geduld lernen müssen, mein Sohn, bevor wir zu … Wichtigerem voranschreiten können, wir beide.«
    »O.k., schieß los. Bring mir Geduld bei, und zwar bißchen plötzlich, damit’s hier mal weitergeht.«
    Das amüsiert ihn nicht. Ich frage, ein bißchen weniger mokant und aufgekratzt: »Warum erfahre ich so wenig? Warum schirmst du mich ab?«
    »Ich schirme dich nicht ab«, erwidert der Alte. »Aber ich interessiere mich für … diese Amnesie. Die selektive Erinnerung. Die Gippies … Einige Leute, darunter meine große Feindin, haben ihre eigene Theorie darüber, was diese Amnesie auslöst, und ich, na, ich habe die meine.«
    »Du meinst, ich habe Sachen vergessen, aus meinem ersten Leben?«
    »Du hattest sie schon vergessen, bevor du gestorben bist. Ich wollte dich hier nur das sehen und wissen lassen, was in deiner unmittelbaren Umgebung geschieht. Tabula rasa. Was ist einem Menschen wirklich wichtig, wenn er sich zu orientieren versucht? Ich wollte beweisen, daß es nicht diese jämmerlichen Thomas-Pynchon-Szenarien sind, all diese schmierigen Geheimvorgänge hinter den Geheimvorhängen. Was zählt, ich hoffe, du wirst dich meiner Worte erinnern, wenn es einmal Not tut, was zählt, Robert Rolf, ist nicht secret history, sondern Freundlichkeit, Freundschaft, Anziehung, Pflichten, Zusammenarbeit.«
    »Kibbuz in Waffen.«
    »Kibbuz in Waffen, wenn du so willst.« Er breitet die Hände auseinander: Nun gut. »Hab nur Geduld, mein Sohn. Bald wirst du alles wissen, was du wissen mußt. Aber vorher will ich von dir hören, daß du bereit …«
    »Werde ich auch wissen, warum sie Yakov in den Kopf geschossen haben?«
    »Ach …«, seufzt der Alte. »Ja, es ist immer der Kopf. Nur, wenn es der Kopf ist, kann man die Wiederbelebung verhindern – nicht Ohr und Wange muß man zerstören, wie bei dir geschehen, sondern das Hirn. So geht die neue Mythologie, früher, als es noch Helden gab, waren es das Herz, die Leber, die Lunge.«
    »Aber das ist doch gar keine Mythologie: Das Hirn ist doch wirklich der Sitz der Person, holographisch angelegt, damit eine Teilbeschädigung

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