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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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habe es, ganz wie 1997-2000, im Land inflationsfreies Wachstum gegeben. Geld wird aber irgendwann nicht mehr investiert, weil die Profite tatsächlich nicht mehr steigen; am Ende steht dann womöglich die Vernichtung des ganzen fiktiven Reichtums. Die überteuerten Grundstücke werden entwertet, die Produktionsanlagen, deren Output keiner kauft, stillgelegt.
    Man meint fast, einen modernen Wertkritiker wie diesen hutzeligen Robert Kurz sprechen zu hören, der dem Kapitalismus seit Jahren bescheinigt, er sei »ausbeutungsunfähig« geworden: Die Gesamtmasse der produktiv vernutzten Arbeit (im Sinne einer nur auf Geldvermehrung ausgerichteten Tätigkeit) sinke fortwährend aufgrund der technischen Produktivkraftentwicklung.
    Daß der Markt mit der eigenen Zukunft nicht mehr fertig wurde, ahnten nicht nur Kurz und das Council. Am 12. Mai 2002, verrät dem Verf. das von den W in ihrer Grenzerstation Lüneburger Heide aufbewahrte Mikro-Archiv, in dem dieser Teil des Buches des Verf. entsteht, meldete die New York Times, daß der kalifornische Staat ein Haushaltsloch von zwanzig Milliarden Dollar (!) entdeckt hatte, das von verminderten Einnahmen aus Kapitalgewinnsteuern herrührte, weil die Spekulationsblase der Tech-Aktien geplatzt war. Vier Tage später berichtete dieselbe Zeitung, daß große Energiefirmen zunehmend Probleme bei der Geldbeschaffung für den Bau neuer Kraftwerke hätten, weil viele von ihnen bei Geschäftspraktiken ertappt worden seien, die neue Investoren zögern ließen. Dabei war noch kurz vorher gerade der Energiehandel Schauplatz allerneuesten Denkens: Wo minutenweise Angebot und Nachfrage aufeinander abgestimmt werden müßten, hieß es, wolle man nicht länger schwerfälligen Regulationsmechanismen bei der Preisgestaltung vertrauen.
    Die Enron-Pleite, bei der Leute, die diesen Sektor modernisieren wollten, Regie führten, war der grellstausbuchstabierte Hinweis darauf, daß »Markt« nicht die ideale Form für solche Modernisierungen sein konnte.
    Die Unvereinbarkeit galt aber nicht nur im Fall von »Energie«, sondern, wie die »Open Source«-Bewegung bei ihrem Kampf gegen privatrechtliches Eigentum an Software behauptete und belegen konnte, auch im Fall von »Information«.
    Der damals verstärkt zirkulierende Vorwurf, das Kapital bremse den Fortschritt, war nicht nur für Marxisten alles andere als originell: Die Geschichte vom Solarauto, dessen Einführung von der Autowirtschaft blockiert wurde, und die urmoderne Beschwerde über den eingeplanten Verschleiß von Waren hatten die Zukunftsfrage auf anekdotischem Niveau längst gestellt.
    Das Unbehagen an einer Zivilisation, die ihres eigenen Fortschrittspotentials nicht Herr wird, erzeugte allerdings ganz verschiedene soziale Reaktionsweisen. Sozialisten mahnten schon Mitte des 19. Jahrhunderts, man müsse demnächst entweder die große Industrie oder die Verkehrsformen des Marktes aufgeben. Sie hatten kaum erwartet, daß eine »Ökobewegung« entstehen würde, die das wörtlich nahm und die große Industrie in toto ablehnte. Diese Bewegung hat inzwischen ihre eigene Krise, aus der Abschaffung der Industriegesellschaft wurde nichts. Die Alternative »Markt oder große Industrie« hat man allerdings nicht nur von einer, der klassisch sozialistischen, Seite contra Markt beantwortet.
    Eine andere nämlich stand rechts und verteidigte nationale Eigenheiten gegen einen als »Globalisierung Marke Amerika« versimpelten Weltmarkt. Diese rechte Marktfeindschaft wurde lustigerweise gar nicht so selten von industriellen, nämlich kulturindustriellen Tendenzen unterstützt. Wie die Konkurrenz das Monopol erzeugt, die Monopole aber umgekehrt immer auch die Konkurrenz neu erschaffen, schaffte die globale Popkultur sich bis tief in den Underground lokale (und ihrer globalen Markthierarchie gegenüber loyale) Oppositionspole: Sobald etwa HipHop einen Augenblick lang die alle Undergroundkanäle dominierende Popmusik war, entstand sofort »deutscher« und »französischer«, im unangenehmsten Fall also betont »bodenständiger« HipHop.
    Politisch sah rechte Marktkritik eine Weile so aus, daß plötzlich überall in Europa Politiker – damals, welche Ironie, zum Teil tatsächlich Zombotiker – Wähler gewonnen haben –, zum Beispiel in der Kleinstadt, aus der der Verf. stammt – die »rechte Sprüche« klopften, von denen die meisten darauf hinausliefen, regionale und Nationalidentitäten samt Lebensstandard seien zu retten, ohne auf modernen

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