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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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»Lifestyle« verzichten zu müssen, nämlich mit dichten Grenzen für die von draußen.
    Daß Autarkie, die einzig mögliche ökonomische Basis dafür, beim Verflechtungsgrad der Weltwirtschaft seit Anfang des letzten Jahrhunderts Wahnsinn war, mußten zwar, man erinnert sich, auf unterschiedliche Art der »Sozialismus in einem Land« und der deshalb auf Welteroberungs-Wahnsinn verfallende Nationalsozialismus lernen. Aber parallel zum Nationalstaatsidealismus gibt es auch wieder Marktfeindschaft von links: Wertkritiker, Antipopulisten, Neo-Arbeiterklassendenker, Antideutsche, Feministen und Drittweltler. Vielleicht hätten die Karl Marx ganz gut gefallen, dem davor gegraut hätte, wie »orthodoxe Marxisten« seine »Essentials« als ewige Kategorien statt als Anstachelung zur Praxis behandelt haben. Andererseits hätten neulinke Reformvorschläge wie die Tobin-Steuer wahrscheinlich scharfen Spott herausgefordert.
    Die ganze Konstellation ist heute perdu.
    Haben wir was verloren damit? Was gewonnen? Wie rein ist der Tisch? Wo sind die Schwachstellen des blutigen gegenwärtigen Wahns, ökonomisch, militärisch, wissenschaftlich?

VIERZIGSTES KAPITEL
Achthundertdreißigster Tag
    Hast ja recht, du läßt dich nicht provozieren, da kann ich in mein Diarium rotzen, was ich will. Hast du eigentlich auch »Abfall für alle« von Rainald Goetz aus meinem Berliner Schutt geborgen? Könnte ich jetzt gut gebrauchen, läse sich bestimmt super hier, vielleicht beim Auftanken der Flugzeuge, vorm Hangar. Wird wahrscheinlich mal so was wie ein »Robinson Crusoe« fürs späte TwenCen: Ah, so sind die zurechtgekommen, diese Medienbürger, in der Letztmortalen, vor dem Totentanz, sofern sie nur beherzt genug waren, gut genug beieinander, wie Crusoe ja auch. Nur daß der Held in »Abfall« nicht erfunden ist; es hatte also zwischenzeitlich ein Fortschritt stattgefunden. Der ist jetzt allerdings auch perdu.

Achthunderteinunddreißigster Tag
    Die Vorbereitungen für den Clintonbesuch laufen weiter.
    Das große Zelt ist abgebaut, dort errichten wir jetzt neue Barrikaden, stellen Ölfässer, breite Panzersperren hin, heften Frontfetzen von Palisadenstellwänden aneinander. Das Camp bekommt eine zweite, innere Haut. Meine Kampfübungen sind gestrichen, oder beendet. Jim hat mich der Gruppe unter Chica zugeteilt, auch Jamal ist dabei. Chica ist wieder besser drauf, »more collected, more focused«, findet Jamal. Sie gibt Befehle. Wir heben einen Graben aus. Abends, in der neuen Großkantine, sitze ich mit Jim, Karin, den Kindern, Jamal und Skriba an des letzteren »Kapitänstisch«.
    Der Alte zieht mich auf: Unser Robert hier war früher Sozialist, sagt er zu Jamal, den wirst du leicht bekehren können, Hammelfleisch mag er auch schon, wie du siehst. Jamal beißt an, belehrt mich den halben Abend lang über die wirtschaftliche Fortschrittlichkeit des Islam, daß man da keine Zinsen nehmen darf, nicht hamstern, nicht spekulieren – Skriba übersetzt mir hö flich die relevante Koranstelle live ins Deutsche, oder weiß sie gar auswendig: »Und denen, die Gold und Silber horten und es nicht auf Allahs Weg ausgeben, verkünde ihnen schmerzliche Strafe.«
    Na, und erst die Steuer für die Armen, die Zakat, von wegen Gerhard Schröder selig und seine hochnotwendige Reform des viel zu engmaschigen sozialen Netzes, Muslime brauchen sich da keinen Kopf zu machen, jeder gibt 2,5 % dessen, was er hat (immer ein er, vermögende Weiber sind nicht vorgesehen), das kommt den Bedürftigen (»sozial Schwachen«: so was Würdeloses steht im Koran natürlich nicht drin, alt wie er ist) zugute, dann paßt’s schon. Gemeinnutz geht vor Lendenschurz, Brechung der Zinsknechtschaft, Heil Mullah.
    Ich kriege sehr schlechte Laune von dem Scheiß. Nur zwei Menschen am Tisch bemerken es: Karin und der Alte. Sie trägt jetzt grobe weiße Leinenhemden, wie Skriba, wie in den alten Filmen die Seeräuber. Ihre Brüste sind fest, nicht zu groß, ihre Stirn glänzt den ganzen Tag. Sie sieht oft zu mir rüber, ich oft zu ihr. Was hier auf einmal mit uns zwei los ist, trotz Jim Corbett, wüßte ich schon sehr gerne.

Achthundertfünfunddreißigster Tag
    Karin kam zu mir, als ich im Copperfield las, unterm Mandelbaum.
    Alles ist seitdem anders, aber nur wir beide wissen es – und der Alte, wenn er es hier liest.
    Sie liebt Jim, und wird bei ihm bleiben, denn so hart und gefaßt er mir vorkommt, glaube ich ihr doch, wenn sie sagt: »Als er unsere Tochter verloren geben

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