Für immer in Honig
diesen »W«, über die niemand gern spricht. Wenn’s so wäre, dann wäre das eine weitere Verlängerung von Tendenzen, die es schon in der Letztmortalen gab, spätestens seit dem Ende der westlichen Studentenbewegung: Aufl ösung aller öffentlichen Freiheiten, Verdinglichung der privaten in Gestalt von zeitweise großer und breit propagandistisch ausgeschlachteter Aufstockung derselben um alle möglichen käu flich en Menü-Optionen, nein falsch, auch das verfiel mit AIDS . Öffentlichkeit? In dem Herbst, der dem Totentanz voranging, hat unser Innenminister Schily erwägen lassen, Demonstrationen in der Hauptstadt aus Verkehrsbequemlichkeitsgründen stark einzuschränken, und dieser Angriff auf ein Grundrecht war keinem staatserhaltenden Blatt, auch nicht dem, aus dessen Trog ich damals meinen Glibber schlabbern durfte, auch nur ein Räuspern wert.
Kurz darauf konnte man im Internet, bei meinem alten freemail-Provider GMX , darüber abstimmen, ob es nicht eine Ausgangssperre für Jugendliche ab 20 Uhr geben sollte, wegen der vielen Disco-Toten.
Erosion der bürgerlichen Welt, eher dürftig wettgemacht vom herrlichen Internet, das nun auch obsolet ist. Ergebnis: Man besucht einander wieder, wie in Mittelerde, um Schlachten vorzubereiten, und bald wird auch wieder Staat gemacht mit Fürstenhochzeiten. Vergeßt Peter Weiss, was wir erleben, erklärt uns der »Wallenstein«. Excuse me, ich verfiel soeben in Glossenmodus: Das kommt davon, wenn man einen leibhaftigen Überlebenden der alten Pracht und Herrlichkeit des wohl noch immer mächtigsten Landes der Erde erleben darf.
Denn ich saß, nachdem ich ohne eine einzige Zwischenbemerkung aus deinem Mund meine Geländeführung zwar nicht mit Bravour, aber erträglichen Haltungsnoten absolviert hatte, tatsächlich zur Linken des Alten Königs, und du zu seiner Rechten.
Wir aßen mit den knapp zwei Dutzend übrigen Menschen, die schon am Flugfeld dabei gewesen waren und sich während meiner Grand Tour an ihre üblichen Plätze und auf ihre üblichen Posten zerstreut hatten, speisten wie seit den Tagen vor den neuen Zäunen nicht mehr, gut und reichlich, vom Rind, vom Lamm, von der Erbsenpaste und dem watteleichten weißen Brot, und ich bewunderte die breite Brust des Königs und fragte Jim, der links von mir kaute und lachte: »Ob er wohl joggt?«
Was Jim noch lauter lachen ließ: »He, Rolf, du hast wohl wirklich nix gelernt beim Training – Joggen, das ist ein Aberglaube, wer über 35 Jahre alt ist und damit anfängt, um seine Gesundheit zu verbessern, fängt sich allergünstigstenfalls eine tragische und schmerzhafte Osteomyelitis ein.« Der Alte König hat das irgendwie mitbekommen und schaltete sich ein, von wegen: Er habe wenigstens keinen herzkranken Ex-Bodybuilder und Roboterdarsteller, pardon: späteren kalifornischen Gouverneur seinem Kabinett als Gesundheitsberater a ffi chiert.
Noch ein bißchen später
(Welt-), (Provinz-)Geschichte durch meine extrem platte Subjektivität filtern, schon verstanden, deshalb die Aufforderung, an diesem Ding weiterzuschreiben, deshalb auch deine Idee, mal alles auszudrucken – der Stapel liegt eingeschlossen, wie du’s haben wolltest, im Panzerschränkchen neben dem in den Situation Room verbrachten Rechner, an dem ich das hier schreibe. Ich werde das Zeug so schnell nicht lesen – also, wenn du es genau wissen willst, Franz: Ich fühle mich wie 1978 auf der Treppe der kleinen katholischen Kirche gegenüber der Max-Metzger-Grundschule, der rückwärtigen Treppe wohlgemerkt, die zum Spielplatz des katholischen Kinderhorts führte, paar Stufen nur, roter Stein.
Da saßen wir, der kleine Baumann und Jenny und ich, und waren griechische Götter, die Treppe hatte ich »Olymp« getauft – denn anders als die andern, die immer auf dem umgefallenen Baum weiter hinten »Raumschiff Enterprise« spielen wollten, hatte ich die »Griechischen Sagen«, neu erzählt von Ulla Leippe, Keysersche Verlagsbuchhandlung Heidelberg 1957, ein Geschenk meines Großvaters, gern angenommen, fast vollständig durchgelesen und fand, wir seien keine Weltraumreisenden, sondern Weltenlenker.
Weniger coole Kids waren dann auf Jennys Befehl die blöden Heroen und mußten nach unseren Launen – Daumen hoch, Daumen runter – sich in den Staub werfen, einander niederzwingen, Kriege anzetteln, dem andern die Frau stehlen und ähnlichen Quatsch, den wir nicht verstanden, aber mit festen Kinderstimmen feierlich beschlossen. Eine der katholischen
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