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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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hätte ihnen ja gefallen können »to call that bluff, if bluff indeed it were«.
    Und wie der Bürgermeister von Haifa eine leidenschaftliche Rede vor dem arabischen Rat der Stadt hielt, sie sollten sich’s doch überlegen, man könne zusammen hier etwas noch nicht da Gewesenes auf die Beine stellen. Von sechzigtausend Arabern in Haifa aber blieben nur sechstausend, ein Zehntel, und die o ffizi elle Erklärung von arabischer Seite hierfür lautete: Sie ziehen sich zurück, um einem Angriff ihrer arabischen Brüder auf das verhaßte neue staatsförmige Gebilde nicht im Weg zu stehen.
    Jamal hob die Hand, lachte und erklärte uns und »Mr. President« hustend, aber bester Laune, für solche Propagandalügen sei es nun auch zu spät, das Ende erinnere an den Befehl König Salomos, das Kind, von dem zwei Mütter behaupteten, es sei ihres, eben in zwei Teile zu hacken und damit zu töten: »Now there’s no Israel, no Palestine, just Zombies and W and enclaves for the rich or very strongly armed.«
    Wir schwiegen darauf alle eine Runde; von wem erwartet wurde, daß er etwas sagen sollte, ist wohl klar. Jamal triumphierte, verschränkte die Hände hinterm Kopf und lehnte sich so weit zurück, daß ich einen Moment lang fürchtete, er würde gleich anfangen, mit dem Stuhl zu kippeln, wie ein hyperaktives Kind. Echnaton aber sah ihn nur an, neugierig, sehr gefaßt, und sagte dann in jenem leisen, beherrschten, humorvollen Ton, der ein Merkzeichen der Konversation wirklich mächtiger Menschen ist: »There are, of course, two sides to this story, as to every story of its kind. The real shame of it is that we tried to make you see a third side, which is that the rest of the world did not particularly care how you settled it, as long as you just, you know, fucking did settle it, or for once showed an interest in practical solutions.«
    Ich glaube, ich habe in meinem ganzen Leben kein autoritäreres, klüger plaziertes »fucking« hören dürfen: einfach mal so eingestreut, nicht überheblich, und doch die unmißverständliche Klarstellung: Bleibt mir mit eurem Quatsch vom Leib, ihr Wanzen.
    Außerdem flirtet er, wenn ich das recht sehe, ein bißchen mit Karin, was besten Geschmack verrät. Ich mag also, ceterum censeo und wenn du es denn wissen willst, das meiste, was er von sich heute gezeigt hat, und ich mag auch, was in den Mappen über ihn steht, die du mir gegeben hast: Wie er als junger Billy Blythe mit seinem Alkoholiker-Stiefvater fertig wurde, seine Mutter zur Scheidung überredet hat, ohne daß seine Mitschüler oder Lehrer irgendwas von den heimischen Schwierigkeiten mitgekriegt hätten, die Zielstrebigkeit, die ihn an eine gute Schule brachte, seine sachlich-romantische Verschossenheit in das für andere Draufgänger extrem einschüchternde, altklug resolute Mädchen Hillary Rodham, die Winkelzüge auf dem Weg zum Gouverneursposten in Arkansas, sogar die Frauengeschichten, selbst deren häßlicher Teil, denn der zeigt doch, daß hier jemand das Verhältnis von Sexualität und Macht ernsthafter angegangen ist als Foucault je (o.k., schlechter Witz, aber wahr). Sein Populismus: mit dem Bus durch die Städte statt Wahlkampf im Fernsehen, oder doch als dessen wichtigere Flanke, die Stadtratsversammlungen, die Frage-und-Antwort-Nummern, das Tag-Team mit der Gattin, bewährt bis auf den heutigen Tag …
    In meinem Koffer versteckt: der Gedanke an Karin.

Vierzehnte Minidisc-Aufnahme
    J: Der hat sich’s immer einfach gemacht, und das meine ich durchaus respektvoll.
    F: Mmh?
    J: Na ja, ich habe ihn zum Beispiel gefragt … ich hab’ ihm dieselbe Frage gestellt wie Svenja, ob man mehrere Menschen lieben kann, gleichzeitig.
    F: Und, was hat er …
    J: Mensch, krümel doch nicht alles auf den Sitz … ist doch ein Leihauto.
    F: Ein Klau-Auto.
    J: Drollig.
    F: Was hat er gesagt , Jennifer?
    J: Er hat gesagt, klar kann man gleichzeitig mehrere Menschen lieben, man ist ja auch gleichzeitig mehrere Menschen.

EINUNDVIERZIGSTES KAPITEL
    F-4-10-7-100-95 • Grabenschock, Treppenhaus, Regression • Gesetz übertreten • Von der Schuld her gedacht • Noch da, schon weg? • Tagelang, so schrecklich • Erste Pflicht des Arztes: um Verzeihung bitten • Leuchtet ein • Aufhören mit Lügen • Selten: Gegendemütigung • Anfangen mit Helfen • Genetisch gesehen • In den Tempel und weg
    1  Es gab so viele steile hohe tiefe Treppen im Gefängnis; Treppen aus Stein, rutschige voller Blut und flüssiger Seife, unsichtbare

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