Für immer in Honig
Schwestern hat uns irgendwann gefragt, was wir da spielen, es muß ihr komisch vorgekommen sein, daß die am Boden tobten, während die auf der Treppe nur wichtig und stoisch da saßen oder standen. Ich, der ich öfter mal Hermes war und also zwischen Treppe und Gehweg hin und her springen durfte, hab’s ihr erzählt. Daraufhin gab’s ein längeres volles Donnerwetter von wegen Monotheismus und Heiden und Lästerung, das ich damals schwer unlogisch fand: Wenn es die heidnischen Götter nicht gibt, ist es doch keine Blasphemie, so zu tun, als wäre man sie? Sollen wir denn JHWH spielen, ist das besser?
Auch so ein vergessenes Epos – aber Jenny als Athene hättest du sehen sollen, diese freche, freie Stirn, diese erschütternd klugen Reden einer Neunjährigen, einfach nur, weil man sie ermutigt hatte, uns die Göttin der Weisheit vorzuführen. So wie auf dieser Treppe ging’s mir also, zwischen Jim und dem Prinzgemahl aus Washington. Ich mag Echnaton. Seine Augenfältchen unterstreichen den Tom-Sawyer-Charme, mit dem er trotz Hoserunter- und Praktikantinnenabusus-Problemen zwei Amtszeiten ergaunern konnte, als demokratischer Betriebsunfall in der frenetischen Zeit der Weltneuordnung nach den Direktiven der allerdicksten Fische.
Es fällt leicht, sich von seiner leutseligen Art einnehmen zu lassen, es fällt etwas schwerer, dahinter den Mann zu erkennen, der mit Trollen gekämpft hat, um ein paar nicht unvernünftige Sachen durchzusetzen, aber wenn man beides erkennt, darf man ihn, nehme ich an, auch mit allem Recht gern haben.
Du wolltest uns vermutlich genau das demonstrieren, als du ihm eine Gelegenheit verschafft hast, verbindlich und firm, also diplomatisch, die Zumutung zurückzuweisen, bei fremden Leuten den kaiserlichen Schiedsrichter zu machen, mit anderen Worten: als du ausgerechnet Jamal an unseren Tisch geholt hast. Mir wurde der Kragen eng, als er Platz nahm. Als hättet ihr’s miteinander abgesprochen gehabt (habt ihr?), fing er sofort sein Lied an, speziell in meine und deine Richtung, nicht ohne gelegentlich Echnaton seine Aufwartung zu machen, mit der völlig verqueren Anrede »Mr. President« nämlich – Na, da haben wir nun also einen, der wirklich mal eine wichtige Rolle spielt, ging die Leier, nicht bloß diese ganzen jüdischen Waffenschieber und Ex- IDF -Generäle mit ihren Munitionskisten und Wasserwünschen, einen, der wahrscheinlich froh ist, nicht wahr, Mr. President, daß er nicht mehr als Geisel der mächtigen jüdischen Ostküstenlobby in den USA einen Staat zu retten versuchen muß, der von Anfang an, wenn ich das sagen darf, Mr. President, nicht zu retten gewesen ist, einen rassistischen Staat, einen Staat, der nicht besser war als Südafrika, solange er Bestand hatte, und dessen späte Taktik, vor allem von der »Linken« – er sprach wirklich Anführungszeichen, man soll mich aufhängen, wenn sie nicht deutlichst hörbar waren – propagandiert, da ja Scharon international sowieso isoliert war –, darauf hinauslief, eine »Zwei-Staaten-Lösung« mit Zäunen und Passkontrollen zu erzwingen, aus Angst, die Palästinenser könnten sich so ungeheuer vermehren, daß, solange Israel den Schein demokratischen Wahlrechts für alle seine Bürger aufrechterhielte, eine allmähliche demographische Schieflage zu ungunsten der Juden unvermeidlich würde.
»An absurd fantasy of Palestinians breeding like rabbits«, wie er schnaubte, und dann der Coup de Grâce, die anaphorische, catohafte Schlußvolte: Ob man denn annehme, daß ein solcher Staat, Mr. President, je zu halten gewesen wäre, der seinem wichtigsten »Gegner« im Innern, von ihm selbst aus reinweg rassistischen Motiven dazu gemacht, nicht ein einziges Mal die Hand ausstreckte? Ob man denn annehme, es wäre richtig gewesen, ihn zu stützen, selbst wenn es Erfolg versprochen hätte?
Ich weiß nicht, ob’s Teil eines von dir ausgeheckten Theaterchens war, aber du hast ihm an dieser Stelle – als er, wie ich mißtrauisch anzumerken wohl berechtigt bin, bereits fertig war – das Wort abgeschnitten, mit der auch von mir selbst seinerzeit in tausend Diskussionen längstens bis zum Kotzen wiederholten Geschichte aus dem Jahr 1948, als sowohl die abtretende britische Kolonialverwaltung wie die neue israelische Regierung gemeinsam den Palästinensern anboten, zu bleiben, wo sie waren, und den Versuch zu unternehmen, friedlich im jungen Staat mit den Juden zusammenzuleben – klar, auch eine taktische Erklärung natürlich, aber es
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