Für immer in Honig
ignorierte sie und dachte: Seit wann ist die Präsidentin für mich ›Hillary‹, das ist keine schlechte Frage. Gar keine schlechte Frage.
2 Die Fahrt dauerte länger, als Andy erwartet hatte. Einmal mußte er sogar das Transpotmittel wechseln und in einen Hubschrauber umsteigen. Eine Sicherheitsmaßnahme natürlich, aber nicht nur: Offenbar war die Präsidentin nicht in einem der großen Tokyoter Hotels abgestiegen, sondern besaß – oder mietete, oder lieh sich – ein sehr altes, sehr schönes Privathaus unweit des Ikuta-Schreins bei Akashi, mit guten Anfahrtsmöglichkeiten zu den Tagungsstätten in Kobe, aber eben auch in großer Ruhe, vornehmer Abgeschiedenheit.
Man begrüßte einander, wie schon seit dem vorletzten Treffen in Paris, mit Wangenküßchen. Es war keine Party, Hillary empfing ihn allein. Die Präsidentin ließ Tee servieren, dann ein festliches Abendessen. Man redete über Erwartbares: »Vielleicht kommt die alte Welt doch wieder zurück, jetzt, wo sie den Impfstoff haben und überall auf der Welt die Zombies überwältigt werden: Israel, Rußland, England, Italien …«, sagte Andy.
»Die alte Welt? Hoffentlich eine bessere«, sagte die Präsidentin.
Es wurde schnell spät, die Musik hinter der Papierwand hörte auf. Schließlich verließen selbst die Leibwächter den Raum. »Schon wieder ganz allein, zu zweit«, sagte Andy neckisch und bereute es im selben Augenblick. Was nahm er sich hier eigentlich heraus?
Die Präsidentin lächelte, senkte den Kopf und sagte verschwörerisch – Sie sieht wirklich viel jünger aus, als sie ist, dachte Andy, leicht beschwipst vom Reiswein – und leise: »Sie glauben doch nicht wirklich, wir wären das letzte Mal allein gewesen? Auf dem Balkon? Scharfschützen hatten Sie die ganze Zeit über im Visier, damals in Camp David, bei der leisesten falschen Bewegung hätte man Sie … nun ja.«
War das ein Witz? Andy fragte nicht nach.
Er horchte: Ein Kräuseln, papierenes Rascheln war um sie beide, das ihm alles verriet, was er über die scheinbare Laxheit der diesmaligen Sicherheitsvorkehrungen je hätte wissen wollen können.
»Keine Chance, daß hier etwas passiert, was Sie nicht wollen.« – Mit diesen Worten, noch kühner als seine Bemerkung zuvor, nahm er die Herausforderung ihres Witzes – war’s einer gewesen? – explizit an. Sie erwiderte nichts, streifte bloß ihre Slipper ab, griff sich an die Fußgelenke und massierte sie.
Man schwieg, nicht ungemütlich, bis die Präsidentin sagte: »Diese Sitzerei soll bequem sein, es ist unfaßbar. Ich denke dabei immer, meine Krampfadern platzen.«
Er lachte, sie auch. Dann nahm er noch einen Schluck Sake, stellte den Becher ab und sagte: »Also gut, ernsthaft jetzt: Warum bin ich hier?«
Ihm war warm, ihm war undeutlich ums Hirn. Kleine Dinge wurden seiner Wahrnehmung unangemessen wichtig: Ihr Haar glänzte an den Spitzen im Licht der Öllampen, als glühte es, ihre Augen waren dschungelgrün, die Wangen, wenn auch erkennbar geschminkt, sehr lebendig, und ihr Lachen anziehend, nicht laut und enthusiastisch, wie er’s schon öfter von ihr gehört hatte, sondern wissend, und dann sprach sie, knapp und nüchtern, eine einzelne Silbe: »Trust.«
Er schüttelte den Kopf. »Wie, Sie meinen, ich … wollen Sie mir erzählen, Sie könnten mir vertrauen? Seelenverwandtschaft, Sympathie? Das paßt nicht zu Ihnen, Mrs. President.«
»Warum nicht ›Hillary‹? Wenn du bei deiner Freundin bist, nennst du mich doch auch schon so.«
Soviel zu Sicherheit und Paranoia – Andy war selbst überrascht, daß ihm das Abgehörtwordensein gar nichts ausmachte.
»Hillary. Okay. Ich bin Andreas … Andy für meine Freunde und für Leute, die mir was von Vertrauen erzählen wollen.«
»Gut, Andy. Also, was ich meine, ist: Wie machst du das? Wie lebst du dieses Leben? Ich bin einfach neugierig, ich … Wir beobachten euch, Cordula, die W. Und du, ein Mensch, in der Mitte dieser ganzen … Wie geht das? Ohne Vertrauen sicher nicht. Du bist kein W und kämpfst für eine sehr merkwürdige Frau, eine Art Piratenkönigin, die früher Komponistin war und jetzt … Wer, was ist Cordula Späth eigentlich? Eine W? Sie umgibt sich mit welchen, aber sie stellt den Buchstaben nicht vor ihren Namen, und man hat nie gesehen, daß sie irgendwelche Eigenschaften demonstriert hätte, wie W sie haben. Warum?«
»Kriegt man Informationen dieser Art über meine Chefin nicht einfacher, Mrs. Pre… Hillary?«
»Ich will keine
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