Für immer in Honig
war so entwaffnend wie ein ernstgemeinter Heiratsantrag: eine völlig platonische Liebeserklärung, wie Andy sie noch nie erhalten hatte. Er stand auf, ging um den Tisch herum und half ihr, die damit Schwierigkeiten hatte, ebenfalls auf die Beine. Dann gingen sie tatsächlich runter, setzten sich einander gegenüber in wunderbare, alte französische Lehnstühle, leerten zusammen eine halbe Flasche Cognac und redeten lange, sehr lange, wie zwei alte Freunde. Am Ende ging er dann, nach einem Küßchenabschied, von aufmerksamen Leibwächtern geführt, ins große Gästezimmer im ersten Stock, ziemlich betrunken, voller angenehmer Gedanken und tröstlicher Gefühle, und schlief angezogen auf dem sehr bequemen Bett ein, dessen Decke er mit letzter Kraft wenigstens zurückgeschlagen hatte.
Weit weg – weiter weg als die Gegend, in die er sich träumte – waren die glitzernden Treppenstufen weiß geworden, vom Tau. Es war so spät geworden, daß die Morgenfeuchtigkeit Jeanne Albers Seidenstrümpfe tränkte. Sie ging ins Haus, ließ den kristallzarten Vorhang fallen und schaute hoch zum Mond, dort oben am klaren Herbstmorgenhimmel.
3 Cordula spielte auf dem Patio Debussy.
Sie hatte den weißen Steinwayflügel zusammen mit Klemens Braun persönlich in den Innenhof gewuchtet. Es gefiel ihr da, zwischen den Stechpalmen und Kokosnüssen. Klemens saß mit David auf dem Fußboden und brachte ihm was bei. Valerie stand in der halboffenen Küche und schnitt ihrem Sohn Bananenschnitze ins Müsli. Es hätte nicht passen sollen: erst Nocturnes von Chopin, jetzt das klare Mondlicht, und dabei lastete auf allem in Wirklichkeit eine ganz unglaublich brasilianische Hitze – aber es paßte, Cordula hatte einfach ein Ohr fürs Richtige zur rechten Zeit, und Valerie mußte lächeln: Hier bin ich, zwischen den berufsmäßigen Begegnungen mit allerlei Gefahr für Leib und Leben, und habe es mir, nachdem wir die Zombiepopulation in Groß-Rio um ein Drittel reduziert haben, sogar verdient, meinem Sohn was zum Essen zuzubereiten.
David hockte auf dem riesigen Malkarton und schaute sich die zwei kleinen Gruppen von Zeichnungen konzentriert an, die winzige Falte auf der glatten Stirn war anbetungswürdig: Gottes Funken, erwachende Intelligenz. Klemens deutete mit seinem langen braunen Finger auf die erste Dreiergruppe, kleine Strichmännchen: »Cordula, siehst du, und deine Mama, und ich.«
Sie redeten meist deutsch mit dem Jungen, er war aber dreisprachig aufgewachsen, konnte besser englisch als Doktor Rock und sein Spanisch entsprach nach Wortschatz und syntaktischer Kreativität dem eines normalen Kindes in seinem Alter, Hallo Mr. Chomsky, hier wird kräftig generiert.
David nickte konzentriert und zeigte selbst auf die andere Gruppe: »Ein Messer. Ein Klavier. Das grüne Auto.«
»Genau«, nickte Klemens, sein langer Bart schlug teppichfusselige Wellen bei der heftigen Kopfbewegung. Dann reichte er dem Jungen die dunkelblaue Wachskreide: »Also? Mach mal die Abbildungen. Ordne mal zu.«
David malte einen Pfeil, langsam und sehr gerade, ein Dreieck an die Spitze, das Dreieck malte er methodisch aus: »Cordula … kriegt das Klavier.«
»Mehr brauch’ ich nicht!« rief die Genannte aus ihrem Notengebüsch und klimperte frivole Schnörkel.
»Mama … kriegt das Messer.«
Der nächste Pfeil war schneller gemalt, und der dritte nur noch eine herrschaftlich kühne Geste, ein Strich quer übers Papier: »Und du kriegst das grüne dicke Auto.« Eine blonde Stirnlocke fiel dem Kind ins Gesicht, der Lehrer nahm sie routiniert zwischen zwei Finger und strich sie wieder nach hinten.
Cordulas Finger folgten einer schwarzen Flut, die Klangwellen rollten, rollten, und Klemens August Braun sah den Jungen aufmerksam an, als er sagte: »Also, was ist das Besondere an diesen drei Pfeilen? Was ist das für eine Zuordnung, die du gemacht hast, was hat sie für Eigenschaften?«
»Ist das wieder so was, wo ich sagen muß, wie die Pfeilgruppe zusammen… gesetzt ist, damit wir das mit andern Sachen auch machen können?«
»Genau. Andere Kategorien, zum Beispiel endliche Mengen, kommen nach den Männchen und Messerchen und Autos. Wart’s ab. Versuch erst mal, eine Eigenschaft zu finden, die deine drei Pfeile als eine einzige Abbildung – Leute auf ihre Sachen – von anderen unterscheidet. Wenn du zum Beispiel den Pfeil von mir und Cordula zum Auto gemalt hättest, weil es uns beiden gehört, und den Pfeil von deiner Mama zum Messer, und einfach
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