Für immer in Honig
Informationen über sie. Ich habe alle, die ich gebrauchen kann.«
Das bezweifle ich, dachte Andy und erinnerte sich an die düsteren Andeutungen Jennifer Brunners in der Raumstation über etwas, das Cordula vorhatte. Aber das nächste, was die Präsidentin sagte, brachte ihn auf ganz andere Gedanken: »Du hast mich offenbar falsch verstanden. Ich will was wissen – über dich. Ich will wissen, wie du lebst. Du hast kein eigenes Geld, du hast nur Freunde, die du in diesem langen Krieg kennengelernt hast, und trotzdem … Du hältst dich gut, weißt du das? Du bist ein anständiger Kerl, nach allem, was über dich rauszukriegen war. Hilfst Leuten, wo es geht. Mißbrauchst deinen Ruhm nicht, deine Mittel. Lebst vergleichsweise bescheiden, bildest dich, besuchst alleine Museen und Bibliotheken, nimmst dir Zeit zum Nachdenken.«
Weiß sie von meinem Buch? Meiner Arbeit?
Selbst Cordula kannte nur die Ausrede: »Ich kritzle da bißchen was zusammen, eine Art Tagebuch«, nur Jennifer Brunner wußte, was wirklich los war, hatte ihn vor einiger Zeit bei einer Begegnung während einer Mission in Los Angeles darauf angesprochen und er hatte ihr, aus welchen Gründen auch immer, eine Kopie einiger Seiten gemacht.
Hillary sprach aber nicht von seinem Projekt, sondern weiter von ihm, seinem persönlichen Wert, seinem Schicksal: »Valerie Thiel hat dich irgendwo in so einem süddeutschen Nest aufgelesen, als es losging, nicht wahr? Ihr seid … enge Vertraute. Man sagt, du wärst der Vater ihres Sohnes. Du hast es nie rausfinden wollen, du hast vermutlich nicht einmal gefragt, du hast abgewartet, wie sie selbst sich dazu verhält. Genau das meine ich: anständig. Ein Gentleman. Es gefällt mir.«
»Weshalb?«
»Weil ich selber«, sagte sie, jetzt nicht mehr lächelnd, »schon während Bills Präsidentschaft immer nur geglaubt habe, in ein Rattennest, eine Schlangengrube gefallen zu sein. Und ich bin kein zartes Seelchen. Ich habe über die Jahre viel verloren – Unschuld, Träume, Hoffnungen, meine Tochter – ja, du weißt es, du hast sie getroffen: Sie gehört zu Cordulas Pfauentruppe, dem amerikanischen Flügel, vermutlich hat … diese Frau, die du deine Chefin nennst, sie auch verführt … Ich weiß, Ansteckung gibt es nicht, Lesben sind Lesben, weil sie es sein wollen, nicht wegen irgendwelcher … aber ich gebe Cordula Späth trotzdem die Schuld daran, daß ich meine Tochter nicht mehr kenne, daß ich nicht weiß, was sie will, daß wir kaum miteinander reden. Ihr Leben ist nicht das, was ich mir vorgestellt hatte für sie, sie wohnt jetzt mit einer ehemaligen Air Force-Pilotin in Nevada, whatever … Ich bin jeden Tag von soviel Hinterhältigkeit, verrücktem Ehrgeiz, Lug und Trug umgeben … Ich sehe die Leute nicht, die ich rette oder zum Tod verurteile. Ich weiß nur, was man mich wissen lassen will, ich bin abgeschnitten und …«
»Und der mächtigste Mensch der Welt. Mein Beileid.«
Andy hob den Becher, es war kaum noch was drin. Er kippte den Rest runter, starrte auf die Tischplatte. Hillary holte tief Luft, dann sagte sie: »Die ganze NATO -West ist eine einzige üble bonapartistische Verschwörung von diesem Reuland. Deine Chefin hat Beweise gefunden, daß er mich … Der Anschlag damals, bei dem er mir das Leben gerettet hat, in New York: Der war inszeniert. Das heißt, der Attentäter war echt, aber es muß ihm jemand geholfen haben, sich im Haus zu bewegen. Nicht alle Morde in jenem Haus an jenem Tag hat jener Mann begangen – mindestens ein Mensch dort, außer dem Attentäter selber, ist von Reulands Hand gestorben.«
»Soll das heißen …«
»Oh, er hat sich bewährt. Sein Kampf gegen die Zombies, sein Management des Handels mit ihnen … das konnte nur ein militärisch denkender Mann mit Geheimdiensterfahrung vollbringen. Es muß mir egal sein, daß er seine Position nur mit Betrug und Mord ergattern konnte, denn er steht auf diesem Posten seinen Mann. So sehen die Kompromisse aus, die ich jeden Tag mache.«
»Und ich«, fragte Andy, es sollte herausfordernd und schroff klingen, klang aber leise und verzagt, »soll Sie trösten? Mein Leben ist auch nicht besser.«
Jetzt lächelte sie wieder: »Laß uns runtergehen, Andy. In die Bibliothek. Wir wollen nicht mehr so tun, als wären wir kultivierte Japaner. Wir sind Westler, vulgär, stumpf. Laß uns einen Cognac trinken, und einander unser Leid klagen. Deshalb bist du hier: Ich brauche das, und du kannst es mir geben.«
Die Feststellung
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