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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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stellten für ihre schrumpfenden Kampfzonen immer noch eigene Pässe aus, erhoben Steuern in halbbefreiten Städten und so fort – wahrscheinlich eine kop flos autoritäre Reaktion auf das immer noch ungeklärte Verschwinden des großen Mannes, das Obristenregime, das ihn gestützt hatte, wurde von schweren Diadochenkämpfen erschüttert.
    Sie saßen zusammen auf einer Steintreppe in einem vor Blicken Unbefugter gut geschützten Hain. Die Haltung der Präsidentin war wie immer vorbildlich, seine ein bißchen zusammengesunken. Andy trug noch immer seine schwarzen Sachen, samt Rollkragenpulli, sie cremefarbene Hosen, eine Bluse mit riesigem Kragen und eine Strickjacke drüber. Es wurde langsam wieder kälter.
    »Sie haben ihm nicht helfen können – was er hatte, dagegen kannst du dich heute impfen lassen, aber nicht … na ja, die Therapie kann die Auszehrung nur verlangsamen, nicht stoppen.« Er starrte trübsinnig ins Unterholz zwischen den knotigen Krüppelbäumen, sie rückte etwas näher heran, legte den Arm um seine Schultern. Sein Kopf sank auf ihre Brust und sie sagte: »Es ist halt Krieg. Immer noch.«
    Er löste sich aus der Umarmung, stützte ein Knie auf die Treppe, sah sie an, und dann passierte es doch noch: Der erste, aber auch einzige Kuß war überraschend, aber logisch.
    Sie lachte danach, was ihn verletzte. »Nein, ich lach’ dich nicht aus, Andy. Es ist nur so, ich dachte grade, wenigstens küßt mich noch mal wer, solange ich ein paar echte eigene Zähne habe.«
    Er war sauer: »Willst du mich anekeln, oder was? Merkst du nicht, was wir hier haben? Ich jedenfalls merk’s, und ich sag’s dir auch, ob du es hören willst oder nicht: Ich lie…«
    Sie hob die Hand, warnend, abschreckend: »Nein, Andy. Das jetzt nicht, bitte.«
    Andy sprang auf, breitete die Arme aus, hil flos , erregt: »Wieso denn nicht? Wieso nicht, verdammt noch mal? Weil es nicht richtig ist? Wegen dem Altersunterschied? Wegen Gott? Ich hänge mit Leuten rum, die ficken alles, was kein Zombie ist. Es ist mir egal, alles ist mir egal, auch, daß Carlo tot ist. Ich mache das alles nur noch mit, wie ein Schauspieler seine Rolle spielt. Das einzige in meinem Leben, was überhaupt irgendeinen Sinn ergibt, das einzige, was mir hilft, worauf ich mich abends im Bett freue, wenn du noch nicht angerufen hast, das einzige, woran ich gern denke, wenn ich mich nicht vor irgendwas in Sicherheit bringen muß, bist du. Und ich weiß, daß du … daß ich dir auch nicht egal bin. Warum sollen wir beide nicht das bißchen echte …«
    »Hör auf, Andy.« Sie wandte tatsächlich den Kopf ab und sagte dann: »Es liegt nicht daran, daß ich dich nicht … daß es nicht schön wäre, wenn es anders wäre. Es liegt auch nicht an Bill, falls du das glaubst. Es liegt nicht mal an meiner Tochter – das hätte ich mir früher einreden wollen, aber sie ist ich weiß nicht wo und bombardiert irgendwelche Städte, zusammen mit ihrer Ehefrau. Aber … weißt du … Leute wie wir, Andy … die Zeiten sind so unsicher, daß man von uns erwartet, sie sicherer zu machen. Wir sind die Irren, die Vernunft reinbringen sollen. Ich weiß schon lange, daß ich sie nicht alle habe: Ich wollte Astronautin werden, habe ich dir das je erzählt? Ich wollte immer nur das werden und machen, was ich nicht werden oder machen durfte. Wie verzweifelt muß die Welt sein, wenn Leute wie ich sie ordnen sollen? Und du, du hast sie ebenfalls nicht alle – der Kuß – danke dafür, ehrlich, das war sehr schön – aber der sagt alles über dich. Dir ist egal, ob etwas in die Katastrophe führt, du ergreifst jede Gelegenheit, dir irgendeinen flüchtigen Trost zu holen für … ich weiß nicht, was. Das ist o.k. Wir dürfen einander trösten. Aber nicht mehr – jede Gratifikation, die über Trost hinausgeht, ist ein Treubruch gegenüber den Leuten, die uns brauchen, die uns so ungetröstet und verrückt brauchen, wie wir sind.«
    »Du und Skrupel? Ist das jetzt das Neueste? Nachdem du die Verfassung hast ändern lassen und damit länger auf dem Präsidentenstuhl sitzen wirst als je ein Mann, wenn man dich nicht vorher …«
    »Siehst du, das meine ich«, sagte sie, und hob zum Spaß die Hände wie Krallen, »ich bin eben das Hillarymonster: Iiik! Iiik!«
    »Iiik!« bestätigte er, lächelte und regte sich ab. Dann setzte er sich wieder hin und nahm jetzt umgekehrt sie in den Arm. Da schwiegen sie dann zusammen, und Hillary machte kleine, verliebte Geräusche. Andy dachte: So

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