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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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mit seiner Steifheit und Gelehrten-Unbeholfenheit, beweg deinen Arsch, tanz doch mal, geh doch mal aus dir raus, in Berlin, diese Abende, wenn er todmüde an der Bar auf dem Stuhl hing, und sie ihn dann vorführte, vor den andern: »Der hält nichts aus, Stubenhocker, und dann weint er wieder: Ich kann nicht so lang weg, ich hab eine anstrengende Woche vor mir, dabei, was sind das für anstrengende Wochen? Er sitzt da und schreibt was, für irgendeinen Katalog, für irgendeinen Sammelband, eine Zeitschrift, und verpasst das Leben. Schla ffi !«
    Und wer war jetzt der Schla ffi , keifte was unbändig Zorniges, das nur er hören konnte, als der schwarze Regen, der grüne Regen, der durchsichtige Regen draußen heftiger wurde: Blast, Winde, wer hängt jetzt durch, Chronic Fatigue Syndrome, wer hat sich zuviel zugemutet, wie war das denn mit Valerie, mit dem Gift, wer hat denn nichts ausgehalten, wer ist hier ein Schla ffi ?
    Neue Gebote, neue Regeln, die er sich danach bastelte und einprägte: Sprich Stefanie nicht nachts an, wenn draußen die Sternschnuppen fallen. Red nicht zu ihr, wenn sie Hibiskus und Bougainvillea riecht, von ihrer jahrelangen Krankenliege aus. Sprich sie nicht an, wenn niemand außer euch beiden weiß, daß du bei ihr bist, denn dir könnte das Wort entschlüpfen, das an ihrer Trägheit schuld ist, der Name eines deutschen Mädchens, und dann würde alles nur noch schlimmer. Weck sie nicht auf, wenn sie sanft schläft, weck sie nicht mit dem leisen Geräusch ihres Namens auf deinen Lippen, sag ihr nichts von all den Geheimnissen, die du bewahrst, verrate ihr nicht, daß du deine Arbeit an der Giftstudie haßt, daß du weißt, wen Toussaint und seine unsichtbaren Anhänger eigentlich meinen mit ihren Brandanschlägen und Überfällen auf die Marines und die Sicherheit der Insel, sag ihr nicht, daß du in einem Fluß der Schande vergeblich nach einem Halt greifst, daß du ertrinkst in deinem Selbstzweifel. Wenn die Trommeln schlagen, und die Wölfe, die es hier nicht geben sollte, schrecklich heulen, unterm stoischen Mond, und du unterm Fenster stehst, vor eurem Haus, das nie eures war, das sich wie ein Hotel anfühlt, dann denke darüber nach, nur für dich, ihre Decke anzuzünden, oder ihr Licht auszulöschen, aber sprich sie nachts nicht an. Sprich nicht zu ihr, sie zu beruhigen, wenn es donnert und blitzt, wenn Toussaints Leute wieder einmal einen Anschlag auf die Stromversorgung durchgeführt haben, die Sicherungen durchgebrannt sind und die gekappten Kabel auf die matschigen Wege fallen, red nicht zu ihr, wenn das Fieber dir Angst macht, wenn sie da liegt und zu brennen scheint, in ihrem Nachthemd.
    Hör auf die Trommeln, hör auf den Wolf, dann brauchst du kein Radio.
    3  Kurz bevor der letzte Morgen der provisorischen Gelehrtenrepublik auf Haiti graute, kam es Dieter Fuchs in den Sinn, daß die eigentliche Schande vielleicht darin bestand, daß man sich darauf rauszureden versucht hatte, man wüßte es nicht besser.
    In Wirklichkeit nämlich hatte er Seitenblicke riskiert, sich oft überlegt, ob er nicht doch erforschen sollte, was es mit jenem aufgeklärten Dschungelgeneral auf sich hatte, dem historischen Urbild wie dem gegenwärtigen Nachbild, ob er die Giftmischer nicht liegen lassen sollte und lieber rausfinden, wofür der Name stand: »Toussaint L’Ouverture«.
    Nippen am Himbeertee, Putzen der Brillengläser, vor ihm auf dem Tisch in dieser langen Nacht ein Zeitungsausschnitt, auf dem geschrieben stand, was der letzte demokratisch gewählte Präsident Haitis, der ehemalige Befreiungstheologe und spätere glücklose Winzdiktator Aristide, bei seiner Ankunft im Asyl der Zentralafrikanischen Republik, damals bereits zur Hälfte von den neuen Krankheiten entvölkert, am Flughafen gesagt hatte: »Indem sie mich abgesetzt haben, haben sie den Baum des Friedens gefällt, aber er wird wieder emporwachsen, denn seine Wurzeln sind wohlgepflanzt.«
    Das Echo war gewiß bewußt erzeugt, aber doch auch eine Bewegung in der politischen Atmosphäre der Geschichte vom afrikanischen Wissen, die Dieter hatte erzählen wollen, eine Störung, ein Wind von woanders – denn es war der historische Toussaint gewesen, der, als sie ihn gefangen und auf das Schiff gebracht hatten, das ihn nach Europa brachte, wo er im Kerker sterben sollte, trotzig gesagt hatte: »Sie haben nur den Stamm gefällt. Es werden neue Zweige sprießen, denn die Wurzeln sind zahlreich und tief.«
    Schließlich begann Dieter, eine

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