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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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mehr berührt, nach diesem letzten Frühstück zu sammen, der letzten Aufführung des Stücks »Die Familie, die nie eine sein könnte«. So saßen wir um sechs Uhr morgens im leeren Speisesaal, um uns gedeckte Tische, als wären wir die letzten überlebenden Menschen auf der Welt. Dann waren Sonnenstrahlen da, ganz groß und gelb, und ich spürte, wie’s mir eng wurde im Hals, weil ich wußte, daß Karin sich nicht verabschieden würde, und ich doch nur noch einmal – ach, egal.
    Schimon wollte aufstehen, als mich mein Wachhabender rief, vom Aufzug her; das Taxi, sollte das bedeuten, stand bereit. Keine militärischen Ehren sonst, und Schimon bat ich, sitzen zu bleiben. »Ich melde mich, von drüben, und komme auch mal wieder, auf Besuch – ihr könnt ja auch mal nach Washington fliegen, wenn die Welt sich wieder bißchen beruhigt hat.«
    Er nickte, hat mich nur kurz angeschaut, fast verstohlen – wer mit den Isawiyya durch die Negev geritten ist, darf keine Rührung verraten, wenn der Quasi-Stiefvater sich abseilt.
    Auf dem Weg zum Fahrstuhl dann plötzlich Schritte hinter mir, schnell, samtiger Tritt auf dem Teppich, ich drehe mich um: Es war Aeryn, und sie umschlang mich, drückte mich an sich, schaute mir ins Gesicht mit diesen seltsam schönen Bernsteinaugen.
    Sie hat sich bedankt, glaube ich, oder sonst etwas sehr Nettes auf arabisch gesagt, und ich war mir nicht zu erwachsen, ihr mit der Hand durch die brandrote Mähne zu strubbeln. Tja, meine Beinahetochter, vielleicht auf Wiedersehen, wer weiß.
    Mein Wachhabender, Ramzi al-Husni, war schon in Tiberias dabei, gehört zur Ur-Freiwilligentruppe des Kapuziners. Er steckt mir einen Brief zu, so, daß der Fahrer und die zwei MP -Typen im Militärtaxi es nicht merken, ich schiebe das Papierchen in meine Gesäßtasche, ohne hinzusehen. Wir fahren ins Armenierviertel, wo Philip wohnt, und nehmen ihn mit. Er reist ganz ohne Gepäck.
    »Was ich brauche, kann ich mir in Amerika kaufen.«
    »Wirst du nichts vermissen?«
    »Ach, die findet einen neuen. Deine Mäuse kommen ja auch nicht mit.«
    Ich ziehe beleidigte Fratzen und schaue aus dem Fenster. Sie bauen ein Denkmal, das erste Standbild der neuen Stadt in der neuen Republik, die hoffentlich mit den W nicht dieselben Gebietsprobleme kriegt, wie die Juden sie damals mit den Palästinensern hatten. Wen, glaubt man, zeigt das Standbild? Aaron Jabotinsky, Held der Befreiung. War ein Säufer und ein selbstgerechter Cocksucker, wenn man mich fragt. Was habe ich erwartet, tolle dicke hitlerschöne Brekerstatuen von Phil’n’Robbie? Nee, ist schon o.k.
    Eine Cessna fliegt uns nach Tel Aviv, wir lungern rum, dann kommt eine kleine Abschiedsdelegation, von Eisin geschickt. Jamal ist verhindert, Eisin selber auch, aber ein paar alte Recken schütteln uns die Hände. Im Flugzeug lese ich sechsmal dieselbe Seite in »Hard Times«, dann schließe ich die Augen.
    Ich träume von Karin: Wir sind auf dem Tempelberg, an der Mauer, man krönt mich zum König und sie zur Königin. Zombies klettern auf die Mauern, nichts schlägt sie zurück, niemand hält sie auf, und doch ist mir, als könnten wir sie schlagen, als wären Karin und ich hier die Helden, nur heute. Dann schaut sie mich schön grausam an, und königlich, und ich fühle mich besoffen, denn wir lieben uns, das ist eine Tatsache. Ja, wir sind die großen Liebenden, so ist das. Nichts wird uns zusammenhalten, aber wir stehlen den Toten diesen einen Tag, und sind dann Helden, für alle Zeiten.
    »Kleine Irreführung«, sagt Philip entschuldigend, als ich mich umsehe, auf dem komischen Flughafen, wo wir gelandet sind: eine heiße Piste in südlicher Umgebung, hohes Gras, verzopfte, vermooste Bäume, Sumpflandschaft hinterm hohen Zaun. Das hier ist nicht Washington, soviel ist mir klar. Irreführung.
    »Wo sind wir, Philip? Was soll die Scheiße?«
    »Willkommen in Miami, Florida«, sagt als Antwort auf deutsch ein ganz unfaßbar bärtiger, langhaariger Mann im schmutzigsten Mantel, den ich je gesehen habe, und fällt Philip um den Hals. Die Leute gehen an uns vorbei, steigen in die Shuttlebusse, während der bärtige Rübezahl und Philip einander auf ihren beiden Rücken rumklopfen, als würden sie einander mindestens so lange kennen wie Philip und ich.
    Dann führt uns der Wurzelmarx – er schüttelt mir die Hand, stellt sich als »Klemens August Braun« vor, wozu Philip einwirft: »Sag ruhig Doctor Rock zu ihm, das haßt er« – zu einer winzigen Einmotorigen, und

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