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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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mildem Großmutter-Stricklicht hinunter, an mehreren dunklen, verschlossenen Hellholztüren vorbei.
    Zum Ende des Flurs hin sah er, nachdem er ein paar Schritte lang seinen nackten Füßen beim Gekitzeltwerden zugeschaut hatte, mit seltsam bänglichen Gefühlen: rechts war’s dunkel, links sehr hell.
    Anderswo im Haus lachten Leute, dann fing Musik an, verpackt in Daunenkissen, und plötzlich tauchte, zwei Meter vor Robert, aus einer Tür zur Rechten, ein Rücken aus dem Zwielicht des Korridors auf, mit hübschem Hintern dran, auf schönen Beinen, in einem feinen gänseblümchenweißen Nachthemd. Robert sah den Hals, sah die Rückenwirbel, aber weil er die Frisur nicht kannte – die Haare waren lang und blond gefärbt, das hatte auf Haiti ein einheimisches Mädchen für wenig amerikanisches Geld gemacht –, erkannte er Stefanie Mehring nicht, die er das letzte Mal vor sehr vielen Jahren in Berlin gesehen hatte, bevor er gefressen und sie vergiftet worden war. Robert war sich sehr sicher, daß die Frau hörte, wie er atmete und sich bewegte, ihn vielleicht schon auf ihrem Zimmer hier gehen gehört hatte. Aber sie drehte sich nicht um, und er bezwang den Impuls, sich durch Räuspern oder ein gesprochenes Wort bemerkbar zu machen. Statt dessen blieb sie sogar stehen und wartete ab, wohin sie sich wenden würde. Ihre Schritte, barfuß, leise auf der Teppichwolle knisternd wie seine, waren rasch. Bald erreichte sie das Flurende und wandte sich nach rechts, verschwand im Dunkeln – abwärts, wie Robert erkannte. Es war da also eine Treppe, und jetzt wurde ihm auch deutlich, daß aus derselben Richtung, in die das Nachthemdgespenst verschwunden war, die Musik und das intermittierende Lachen kamen.
    Er folgte der Gestalt, spähte die Treppe hinunter. Es war nicht völlig finster dort, ein rotgelbes Rechteck, verstellt vom Geländerschattenriß, glomm vielmehr von unten herauf.
    Robert freute sich undeutlich: Klar, die Treppe bin ich doch auch hochgegangen, ich muß wirklich sehr erschossen gewesen sein, daß ich das gleich wieder vergessen habe. Jetzt wußte er also wieder, wo er war, und das beruhigte endlich auch den grimmigen Bauch. Anstatt Stefanie Mehring die Treppe hinunter zu folgen, drehte er sich jedoch nach links, weil ihm im selben Moment eingefallen war, was für ein Raum sich dort befand – bei der Ankunft war’s nicht so hell da drin gewesen, aber genauso sauber und still, Küche ist eben Küche, immer ein einladend lichter Raum.
    Im Kühlschrank – amerikanisch abgerundete Kanten, wie eins dieser Autos aus alten Filmen, fehlten bloß die Heckspoiler zum wahren James-Dean-Glück – fand Robert ein paar Bratenscheiben mit rotem Rand voll Kümmel, auf flachem kleinem Teller, und eine Hähnchenkeule, fast zu grellorange – Jennifer, mit deinen schönen Haaren –, sowie ein großes Stück hellgelber Butter auf einem nachtblauen Keramikschiffchen. Er nahm das Huhn in die Hand, stand auf, biß was ab, kaute und schaute sich die Wand an: ein neuer Kalender, Fotos von Leuten beim Angeln hinter Glas, ein präparierter langer Fisch, silberschimmernd, auf einem ölig glatten Holzbrett. Neben der Spüle stand ein großer Mülleimer. Robert trat mit dem Fuß auf den Hebel, schaute rein: Eierschalen, Nudeln, Brot, Packpapier. Er warf die Keule, als er genug davon genagt hatte, hinein, zog den Fuß zurück. Der Eimer klappte erstaunlich leise zu.
    »Und jetzt?« fragte der General außer Dienst, sich mit der rechten Hand über den beruhigten Bauch fahrend, den seelenlos seitwärts an ihm vorbeistarrenden toten Fisch. »Soll ich zurück ins Bettchen? Runter zu den Leuten? Eine Uhr suchen? Alle Türen aufmachen, schauen, wer hier sonst noch wohnt, in diesem hausgewordenen Adventskalender?«
    Wieder das Lachen von unten, dann die Stimme des bärtigen Rübezahlmenschen, der ihn und Philip auf dem Rollfeld abgeholt und hierhergebracht hatte, deutlich und volltönend: »Frau Mehring, Frau Mehring!«, darauf mehr Gelächter, unter anderem Philips unverkennbar trockenes Bellen. Meine Leute, ob ich will oder nicht, dachte Robert. Außerdem habe ich genug geschlafen, am besten, ich komme hier mal in die Gänge.
    3  Das behagliche Wohn- und Gesellschaftszimmer im ersten Stock der alten Villa Flagler war ein für europäische Augen ziemlich hysterischer Bordellquatsch in Bordeaux, mit schweren Brokatvorhängen, mehreren in pseudorömische Ton-Monstrositäten eingetopften, fast mannshohen Zimmerpflanzen, einem halben Dutzend

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