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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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die Chefin und wandte doch den Blick nicht von der Frau, die sie erschossen hatte und die jetzt auf dem Glitzern und zwischen den Zetteln lag, die Robert Rolf gewesen waren.
    Bauch. Hals. In den Kopf hatte sie nicht geschossen, auf den richtete sie jetzt die Waffe, überlegte, entschied sich dagegen. Wenn die Arbeit getan ist, sagte sie sich, hole ich mir Valerie zurück, und dann werde ich ihr erklären, warum ich so handeln mußte, und alles wird gerechtfertigt werden, und niemand, der noch lebt, wird mir böse sein können.
    »Wir sind soweit«, meldete Nadja, eine der Jüngsten aus der Pfauengarde.
    Cordula steckte die Pistole weg, ging neben Valerie in die Hocke, schloß ihr die Augen.
    Dann stand sie auf: »Gut, los geht’s.«
    »Sollen wir den Sumpf noch mal durchkämmen? Dieringshofen, Brunner und Braun …«
    »Wir müssen nach Washington, das ist wichtiger. In drei Tagen ist die Party, und ohne Bela hier«, sie tippte mit der Stiefelspitze gegen den toten elektronautischen W, »können Brunner und Co. uns nicht mehr an den Karren fahren. Falls sie im Sumpf sind, werden die Krokodile, Moskitos und Zombies sich drum kümmern. Und falls sie trotzdem durchkommen und uns noch mal Ärger machen … kümmern wir uns drum, wenn’s akut wird.«
    »Sollten wir dann nicht nach Cape Kennedy und den Satelliten stoppen?«
    »Wozu? Mit Phase eins von Hillarys Plan bin ich eh einverstanden. Kreuzers Leute sollen den Mars nie erreichen, ist doch vernünftig. Phase zwei … dazu wird es nicht kommen.«
    Das also war das, und damit winkte Cordula ihren Leuten zum Aufbruch.

VIERUNDFÜNFZIGSTES KAPITEL
    Man kann auch Jetlag dazu sagen • Eine verbesserte Anlage • Iß was Anständiges • Intellektuellenkapitelchen • Niemand mehr übrig
    1  »Wünschen Sie noch irgendetwas, außer Tee?«
    Falsches, anstelliges Lächeln, die Frisur der Stewardess gefiel Andy kein bißchen, was für eine blöde Bischofsmütze, was für ein alberner Helm, nein, dafür, daß jetzt die fünfziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts wiederkamen, hatte er nicht in Marseille und Berlin und Rio de Janeiro sein Leben aufs Spiel gesetzt. Erdnüsse im schwarzen Plastikbeutel, falscher Wind durchs kleine Lüftungsei über Andys Kopf, Wolken im Mondlicht unterm Flugzeug, ekelhaftes Essen, wahrscheinlich Taubenfleisch in Zombie-Urin: Mehr konnte ein Fluggast zu dieser Stunde, in dieser Welt, auf dieser Strecke sich kaum wünschen.
    »Vielen Dank«, winkte er ab, nahm den Tee entgegen, nippte dran, stellte ihn auf die Klappfläche und drehte sich ein bißchen aus der Hüfte raus nach rechts und links. Erste Klasse hin, Beinfreiheit her, Andy Witter haßte Fliegen. Dann spielte er, aus Langeweile, in Gedanken mit möglichen Antworten, die er der geklonten Flugbegleiterin hätte geben können: »Mehr Licht!« wäre bestimmt nicht schlecht gekommen, oder »Eine eigene Geschichte, wenn’s geht«, beziehungsweise: »Könnten Sie mir vielleicht erklären, warum mir das so banal vorkommt, wenn Mao Tsetung schreibt, daß unsere Armee – er meint die Kommunisten – stets zwei Richtlinien befolgen müsse, nämlich erstens den Feinden gegen­über schonungslos sein, sie überwältigen und vernichten, zweitens aber, zu unseren eigenen Leuten, zum Volk, zu den Genossen, zu den Vorgesetzten und den Untergebenen liebevoll sein, mit ihnen uns zusammenschließen – ob diese Banalität an mir liegt oder an Mao oder an meinem Buch über die Chancen des Kommunismus nach dem Totentanz oder an diesen Chancen selber?«, auch »Steck dir deine Erdnüsse in deine alberne Turm-zu-Babel-Frisur und furz mir gefälligst die Internationale vor!« hätte gut gepaßt.
    Er hätte, fand er, Valerie nicht zurücklassen sollen, das heißt, halt, so war es ja gar nicht, Valerie blieb nicht einfach sitzen, sondern entfernte sich vom gemeinsamen Ausgangspunkt genauso schnell wie er, in dringender Mission. Nur David und seine hübsche Transe blieben in Berlin zurück, live to fuck another day. Andreas wurde das Gefühl nicht los, daß dieser ein wichtigerer Abschied gewesen war als sonst. Das brachte ihn auf seine Abschiede von Hillary, der er jetzt entgegenflog, darauf, wie das immer mit ihnen beiden gewesen war, wenn sie ihre gemeinsame imaginäre Insel hatten verlassen müssen. Jedes Mal, wenn er sich von ihr entfernen sollte – »Bis bald!« »Mach’s gut!« »Viel Glück!«, er wollte lieber nicht über seine üblichen Abschiedsgrüße nachdenken –, schaute sie ihn an, als

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