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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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wolle sie sagen: Wenn du zurückkommst, bin ich vielleicht nicht mehr da, bau nicht auf mich, häng nicht an mir.
    Das war aber immer gelogen, auf durchaus fürsorgliche Art: Sie ist immer dagewesen, fiel ihm jetzt ein, ich konnte in meinen schwärzesten Nächten ihren Namen sagen, dann ging’s besser, und ich sah immer, seit wir uns kennengelernt haben, wenn ich nur wollte, ihre Augen vor mir, Augen wie Regen. Das Flugzeug brummte seinsvergessen, Washington war noch anderthalb Stunden weit weg.
    Andy blies etwas Luft gegen die Scheibe, die beschlug nicht, klar, war ja auch eine doppelte, kleine Schleuse fürs Licht, von dem’s nur wenig gab, so spät, so früh. Wo sie war, konnte er sich nicht vorstellen, außer in großen Schwierigkeiten, durch Bills Tod, aber daß da, wo sie war, auch seine Atemluft war, das spürte er als eine beklemmende Furcht auf den Lungen liegen und in den Armen ziehen. Er liebte sie nämlich.
    Trotzdem war sie ein Feind, darin bestand das Unheimliche dieses Lebens.
    Andy nahm den Tee wieder zur Hand, setzte den Plastikbecher vorsichtig an die Lippen, schlürfte einen kleinen Pfefferminzschluck und überlegte: Was weiß ich eigentlich über sie, das zu dem paßt, was sie für mich ist? Die Bücher und Videos fallen ihm ein, aus denen er nach der ersten Begegnung, damals noch als Colas unauffälligster Gefolgsmann, versucht hatte, sich über die Präsidentin kundig zu machen – typisch anekdotisches Zeug, und nichts davon so aufschlußreich wie die Geschichte, die ihm eine von Hillarys ältesten Vertrauten letztes Jahr in Rom erzählt hatte, als sie gemeinsam in einem Hotelfoyer auf die Präsidentin warteten, die ein Treffen mit dem neugewählten afrikanischen Papst, Teilhard II., in die Stadt geführt hatte: »Das war im Juli, glaube ich, ja, Juli 1992«, hatte die uralte schwarze Catering-Expertin nostalgisch lächelnd berichtet, »am Rand der Democratic National Conven tion – Bill war nervös, er wollte sich für die Nominierung bedanken, sie mit wohlgesetzten, möglichst effektvollen Worten annehmen, und wir saßen da rum, heckten was aus, machten einen Vorschlag nach dem andern, das hat ihm alles nicht gefallen, zu seicht, zu pompös, zu trocken … und da sagt sie, in Anspielung auf das Kaff, aus dem er stammt: ›I still believe in a place called Hope.‹ Das war natürlich greulicher Kitsch, aber auch ein Beispiel für den magic touch, den sie hatte. Er hat immer an sie geglaubt, und umgekehrt, das hat die beiden immer getragen, durch die größten Sauereien, die schlimmsten Fehler.«
    Sie sprach das aus wie eine stolze Mutter, sachte kopfschüttelnd, leicht verwundert darüber, daß ausgerechnet ihre Kinder solche Kaliber waren.
    Er hatte Hillary dann später am selben Abend auf die Geschichte angesprochen, aber wie üblich gab sie sich nicht damit zufrieden, sie zu bestätigen: »Ich weiß nicht, ob das so einfach ist, wie Lynn meint – aneinander glauben. Es geht vielleicht nur, wenn man noch an was anderes, was Drittes glaubt.«
    »Jesus?« hatte er sie aufgezogen.
    »Ich bin als strenge Methodistin aufgewachsen und liebe solche Witze nicht. Bill … der ist ein eher emotionaler Baptist, der vielleicht gar nicht merken würde, daß du Witze machst, und dir einfach zustimmen.«
    Eine Antwort war das nicht, eher Schelte und Ausweichen in einem, darin war sie gut.
    Andy dachte: Methodistin, ja, das waren auch die ersten, die gegen die Sklaverei aufgetreten sind, und fürs Frauenwahlrecht, und gegen den Alkohol … ganz strenge Kiste … Washington …
    Der Tee roch viel grüner, als er schmeckte. Andy nickte in Erwartung anstrengender Stunden vorsorglich und ganz zu Recht lieber noch mal ein, statt an dieser Stelle allzu eifrig weiter rumzudenken.
    2  Zitronen- und Mandelduft der Damaszenerrosen in Hillarys neuem Garten erinnerten Andy, der langsam neben ihr herging und sie wie ein Gentleman der alten Schule dabei stützte, an ein feines Fischgericht, das sein toter liebster Italiener ihm vor Jahren mal bei Mailand hatte auftragen lassen; ach, wilde Partys waren das gewesen, lange Kerzen, schöne Menschen. Er übersah mit einem Blick die ganze Pflanzung, sog den Duft, den das Morgenzittern noch intensiver machte, als er eh schon war, mit einiger Ehrfurcht ein, bewunderte das aristokratisch-anämische Rosa an den stachligen Stielen und wäre fast gestolpert, als Hil lary ihn auf eine bleichere Blüte unter einer der großen schwarzen Urnen am Kieswegrand hinwies. »Chapeau de

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