Für immer in Honig
Danach kann Cordula nicht mehr tun, was sie vorhat.«
»Was hat sie denn vor?« schaltete sich Lena Dieringshofen stirnrunzelnd ins Gespräch ein. Es war Philip, der ihr ernst antwortete: »Sie will der Präsidentin drohen, und die Drohung eventuell mit einem kleinen Brandopfer unterstreichen. Cordulas W sind alle außerhalb urbaner Ballungszentren, und wenn die Präsidentin nicht ihre geballte Macht an Cordula und die … von ihr geplante Pfauenregierung abtritt, wird sie ein Dutzend eben erst von der Zombiescheiße befreite Städte kaputtschießen. Einfach, damit man sieht, daß sie’s kann. Die Menschheit wird entmündigt, das Kollektivsubjekt W wird ihr zum Vormund eingesetzt, der Übermensch regiert, Plato und Nietzsche applaudieren, Cordula Späth saves the world by conquest.«
»Also die … diese Cordula ist böse?« fragte Stefanie Mehring verträumt. Jennifer schnaubte, dann sagte sie, wie schwer belästigt: »Die Präsidentin ist auch kein Engel – sie hat vor, den von ihr und ihren Leuten längst antizipierten Schachzug unserer Frau Späth ihrerseits damit zu beantworten, daß sie den W exakt dieselbe Knarre an die Schläfe setzt. Wenn Kreuzers Arche Noah weggebombt ist, werden die verbliebenen raumgestützten Arsenale ihre Ladungen auf die W-Gebiete richten, falls es nach Hillary geht. Dann unterstellen sich die W, vertreten durch die eidleistende Cordula, entweder amerikanischer Oberhoheit, oder sie werden ihrerseits atomisiert.«
Robert machte »Brrr«.
»Was willst du?« lächelte Philip und schwenkte sein rotes Getränk, »So wollten wir’s doch immer: letztes Gefecht, und wir, die drei Musketiere …«
»Warst du nicht sogar General in Israel? Ich bin bloß einmal da gewesen, verkleidet sozusagen, hab mir die Larve der lieben Frau Rosenberg geliehen, um die Staatsgründung von Miri Eisin live zu erleben – aber du hast ganz rüstig ausgeschaut, in deiner Phantasieuniform, Robert. Also kneif jetzt nicht, o.k.?«
»Es ist bloß …«, sagte Robert und schaute niemanden an, sondern lieber auf den flusigen Teppichboden, »… daß das alles total nach Traum riecht. Ernsthaft: daß ausgerechnet wir drei das Schicksal der Welt …«
»Oh, nein nein nein!« wehrte Jenny heftig ab. »Nix da, Schicksal der Welt! Wir sorgen bloß dafür, daß zwei nette dickköpfige Mädels die Welt nicht aus Versehen abschaffen, weil sie viel zu große Spielsachen in die Finger gekriegt haben. Das Schicksal der Welt … das Schicksal der Welt, wenn sie nicht abgeschafft wird, entscheiden Leute, von denen du noch nie gehört hast, Robert, verstrickt in deinen Fahrten- und Gralsroman, wie du warst. Würde man aufschreiben, was du erlebt hast, was wir erlebt haben, bekäme man nur die Haupt- und Staatsaktionen in den Blick, winzige Verschiebungen im Grunde, zwar an vorderster Front, aber eben nicht die große Dynamik.«
»Die große …«, zweifelt Robert, und Jenny wiederholte mit Bestimmtheit: »Die große Dynamik. Den Vorgang, daß das ganze Unglück, das Cordula mit ihrer Zombie-Diversion erzeugt hat, die Kriege, die Biowaffen, das Ganze, tatsächlich wieder Spielraum geschaffen hat, für eine Umwälzung, an die Cordula nicht mehr glauben wollte. Ganz so, wie es das Buch von jemand anderem prophezeit hat – nicht dein scheinbar so heroische und große Taten dokumentierendes Tagebuch, sondern die Selbstverständigung von jemandem, der scheinbar nie große Entscheidungen hat treffen dürfen und immer nur mitgezogen wurde.«
»Du stehst schon ziemlich auf Andys Ding, was?« zog Philip Jenny auf. Robert verstand nicht, was er meinte, aber sie winkte ab: »Ich habe Respekt vor allen, die Cordula verraten, denn das ist nicht leicht – ihre Vision ist so überzeugend. Ich habe Respekt vor Bela, vor Andy, vor all unseren Freunden bei den von Cola kooptierten W, die jetzt abspringen. Auch vor mir selber also. Aber das Schicksal der Welt, wie Robert das nennt, wird nicht von W, sondern von Leuten wie Andreas gemacht werden, Leuten, die koordiniert haben, Stichworte geliefert, von Leuten mit Augen im Kopf wie den Streikpropagandisten in Uruguay, Südafrika, der Ukraine, in Japan und Südchina, den Deserteursbewegungen, den Kommandeuren, die ihre Regierungen verraten haben und das noch tun werden, den Netz-Restaurierern und Verkehrs-Gewerkschaftern, von Chen Xiling und Jasper Korzeniowsky, von Vijay Prashad und Josephine Potter und den Millionen von Revolutionärinnen und Revolutionären auf der Welt, die nicht
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