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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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allen Seiten und für Philip und Valerie, im Ergebnis zahlreicher Hiebe, Stiche, Schreie und durchtrennter Körper, eindeutig besser als für Jeanne Alber, Carl von Ranke und ihre stöhnenden Begleiter. Köpfe wie Hamburger, Hände, die lose ins Wasser fielen, Blubbern, Spritzen, jähes Mondlichtgleißen.
    Stille.
    Philip staunte, würgte, pfiff schwach Atem raus und rein.
    Ehemalige Menschen trieben in Stücken im Wasser.
    Valerie japste: »Weißt du, es ist … gar nicht viel weniger anstrengend, sie tanzen zu lassen, als wenn … ich sie werfen würde … aber es trifft besser und … macht viel mehr … Spaß.«
    Philip glaubte ihr, sagte aber nichts dazu. Ihm war sehr schlecht und er wußte, daß ihm noch viel schlechter werden würde, wenn sie nicht bald hier fortkamen, vielleicht auf eine Straße, ja, doch, das wäre gut.
    3  Regenwald, dachte Philip, und arbeitete sich qualvoll, langsam, über Stunden, durch das Schwemm- und Unterholz, während Valerie einfach nicht aufhörte zu reden, berauscht vom scheinbaren Sieg.
    Er brachte es nicht übers Herz, ihr zu sagen, daß nicht alle Zombies erwischt worden waren von ihrem kleinen Häckselfest. Man konnte sie hören, schon seit er mit der Huckepack-Messerfrau die Lichtung verlassen hatte, hingen sie wieder an ihren Fersen, und es wurden mehr, das hörte man daran, daß sie jetzt viel lauter waren: Womöglich trieben sich hunderte auf dem Gelände rund um Cape Kennedy herum. Außerdem wußte er überhaupt nicht, wohin er mit ihr ging, wo die Straße, das Festland, die nächstgelegene menschliche Ansiedlung zu finden sein mochten. Dazu ging ihm, warum auch immer, die ganze Zeit die letzte Strophe von »Surfer Girl« der Beach Boys im Hirn rum: »So I say from me to you / I will make your dreams come true …«, entsetzlich, das Schlimmste.
    Der einzige Trost, den er in all dem erkennen konnte, bestand darin, daß hinter und über den Bäumen und Sträuchern das zaghaft lachsfarbene Leuchten eines neuen Tages, als Aura erst, aber doch lockend zu schummern begonnen hatte. Gejagt von Zombies, an Lungen, Armen und der rechten Schläfe verletzt, ohne Orientierung, hörte er Valerie Thiels – und, weniger deutlich, meine – große Lebensbeichte, unterbrach sie gelegentlich mit einem für ihn nicht immer ganz schmerzlosen »Hmpf« oder »Jo« oder »Ah« und dachte ansonsten außer übers Surfer Girl vornehmlich darüber nach, zu wem er eventuell beten konnte, jetzt, da es wirklich nötig war.
    »Andy hat sich nie gefragt, wie das für mich war. Wenn man diese ganzen Jahre von ihm aus anschaut, dann gab’s das nicht: Das Problem für mich, daß ich da schizoid rumhänge in so einem Limbo von Leben. Cola hat mir wenigstens angeboten, ich könnte es ja behandeln lassen: ›bedürfnisangepaßt‹ hieß das Stichwort, in Form von Aktivität, die hat mich in die Résistance gegen die Zombies geschmissen wie ’n Hummer in kochendes Wasser. Was sollte ich denn mit den Erinnerungen, mit Sonnenthal, mit dieser Stimme, dem … den Wörtern im Hirn und daß ich … daß ich Robert Rolf bin, außer ich, außer mich zu sein oder wie man das sagt … Mann, dafür gibt es doch nicht mal ’ne Grammatik, für diese … dieses alles da.«
    »Hmpf.« (Do you love me, do you, surfer girl?)
    »Er wollte … Andy wollte immer nur wissen, was das bedeutet, eine W zu sein, der hat geforscht und forschen lassen, aber meinst du, der hätte sich mal gefragt, wie krank sich das überhaupt anfühlt, wenn man zwei Leute im Kopf hat? Das kommt gar nicht vor. Darüber hab’ ich mich selber schlau machen müssen, was? Klasse. Toller Vater für mein Kind, toller Mann. Dopamin-Hyperaktivität, die konnte man messen, aber dann war es auch schon aus, jede Untersuchung, von PET bis Cat Scan, von Neurotransmitter-Ausschüttungs-Tests bis … Ich bin das nicht losgeworden, diese bescheuerten Erinnerungen von Robert Rolf, seine dumme Kindheit, Socken, Bier, Würstchen, Geld in Münzen auf dem Bügelbrett, die erste eigene Schallplatte, das hat sich alles vor meine eigenen geschoben oder in sie so reinge… reingeriegelt, verstehst du?«
    »Jo.« (So I say from me to you)
    »Ich bin nicht verrückt, so ging der Refrain über Jahre, immer als Selbstversicherung, morgens vor dem Spiegel, zwischendurch auf dem Klo: Ich bin nicht verrückt, ich bin nicht verrückt – allein davon wird man doch schon verrückt, ist doch klar. Ich hatte echt Koordinationssorgen, zum Glück gab’s die Messer, die haben mich

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