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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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Herz hier, oder? Die Kommando … die Schaltzentrale.«
    »Ja. Das da sind die Rechner.«
    »Wo? Ich sehe keine.«
    »Nicht jeder Rechner hat einen Bildschirm.«
    »Was, diese Schränke da?«
    Willkommen in einer leeren Festung, einer mächtigen gestrandeten Walfischleiche, angefressen von Oxidation, an den Metallträgern unter der Schleuse, Relikt eines verrücktgewordenen Jahrhunderts, von einer Besatzung aus lauter Feiglingen aufgegeben. Computer, die damit befaßt gewesen waren, Orte wie diesen miteinander zu verbinden, waren vor Jahrzehnten gecrasht. Hier haben böse Gespenster miteinander ge­kämpft, dachte Valerie, vielleicht habe ich schon zuviel gesehen, dieser Ort mag keine Zeugen.
    Philip Klatt nahm die Sache anders wahr: Wie eine romantische Ruine, das alles sah für ihn nach alten Geschichten aus, als hätten die Schuldigen den Preis für ihre Taten bereits gezahlt, hingen irgendwo an irgendwelchen Laternen, mit gebrochenem Genick.
    Niemand überlebt normalerweise, um solche Geschichten zu er zählen, denn in der Politik geht’s anders zu als bei Moby Dick. Lena Dieringshofen war nur kalt. Klemens Braun wußte, wie Jenny, alles über dies hier, und hatte Angst. Jenny Brunner aber wurde das Gefühl nicht los, schon einmal hier gewesen zu sein.
    »Was passiert jetzt?« fragte Valerie.
    »Novus Ordo Saeclorum«, sagte Doc Rock, der sie auf dem Rücken trug, finster lächelnd.
    So stand die kleine Gruppe schweigend und sehr angespannt mitten in der kleinen Technogruft, zwischen den großen Platten, welche die Rechner schützten und vor Neugier verbargen, und sahen Jennifer dabei zu, wie sie ihre dreck- und blutverschmierten Hände auf die breiteste und höchste dieser Platten legte. Dann begann sie mit den Maschinen zu sprechen, schloß die Augen und ließ ihr Wissen die Kupferdrähte entlanglecken wie Elmsfeuer, las magnetische, elektrische, atomare Kräfte, spürte Dichtefunktionsmatrizen nach, modulierte und demodulierte das Gelesene, filterte das Rauschen raus, suchte ihren Weg mit verdrehtem Blick und hängender Unterlippe zwischen winzigsten thermodynamischen Fluktuationen, Streuungen, statistischen Effekten, drang in optische Speicher vor und nahm die Diffraktionsgrenze der Lichtbündelung als eine Mauer wahr, dachte in Proportionen von Wellenlängen, sprang auf die Halbleiterbahn, bewegte sich durch lithographische Labyrinthe, schlau, wendig und stumm. Schließlich, mit einem blauen Blitz zwischen den Fingern, der wie Spinnweben aussah, löste sie die Hände wieder von der Wand.
    Jenny blinzelte, Dr. Rock war bei ihr, sie zu stützen, weil sie schwankte.
    Sie atmete tief durch und sagte bestürzt: »Ich versteh’s nicht. Ich verstehe das nicht, wie kann das …«
    Valerie verlor alle Geduld: »Was? Was ist los?« schrie sie Jennifer an.
    »Das Programm«, sagte Jenny, und verbesserte sich gequält lächelnd: »Oder – die Programme, um genau zu sein. Die Abschußcodes. Sie sind eingegeben, sie werden gerechnet. Es passiert, wir sind zu spät. Aber irgendwie werden sie auch arretiert, es sind Schlaufen drin, die sich langsam verengen.«
    »Auf deutsch?« konnte nun auch Philip nicht mehr recht an sich halten.
    »Es läuft alles, wie die beiden Weiber wollen. Wir sind zu spät – beide Abschußsequenzen sind eingegeben, wenn auch seltsam … verkrüppelt, limitiert, als ob jemand … oder zwei Parteien, denn es sind unterschiedliche Programmierstile … zwei distinkte … die ich erkennen kann …«
    »Als ob jemand was?« hakte Lena Dieringshofen nach, während Doc Rock Jenny sein Schnupftuch reichte, damit sie sich die verschwitzte Stirn abtupfen konnte.
    »Als ob zwei Parteien die Sequenz initialisiert, aber auch auf einen präzisen Termin hin verzögert hätten. Ich kann den Zeitpunkt nicht erkennen, er hängt damit zusammen, wann sich der Code durch eine … etwas wie eine Wand aus Brei gefressen haben wird, die mit ihm zusammen eingegeben wurde und viel Rechenzeit verschlingt.«
    »Wie lange?« fragte Philip.
    »Tage. Höchstens Wochen.«
    »Kann es vorher passieren?« fragte Braun besorgt. »Kriegen wir es vorher hin? Denn dann … wenn es noch eine Menschheit gibt, nach den Einschlägen, wäre es doch gut, wenn es eine wäre, die schon …«
    »Das Verrückte ist … ich habe Cordula Späth gelesen«, schnaufte Jenny schwach kopfschüttelnd und sehr entkräftet, »in dem Herrenhaus, als sie uns überfallen hat … als ihr uns überfallen habt …«, sie sah Valerie an, »… und es war

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