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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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irgendwie verlängert in die Welt raus, das war was wie zusätzliche Sinnesorgane, auf die konnte ich mich konzentrieren, weil sonst … Ich habe die beste Übung, ganz unerwünscht, aber ich bin wirklich super geübt in täglicher Realitätsprüfung, bis hin zu … ich guck in meine Hose: Habe ich einen Schwanz? Nein, ich habe keinen Schwanz. Also bin ich Valerie.«
    »Ah.« (Do you?)
    »Schizophrenie – ich mein’, Cordula konnte das ja nicht endlos beaufsichtigen, die wollte immer erreichen, daß ich nichts darüber lese, damit ich mich nicht – fälschlich, hat sie immer gesagt – für schizophren halte – ganz tolle Tips, so was wie: ›Denk nicht, du bist weniger als die Normalen, du bist mehr‹, toll zum Aufbauen, aber es erklärt doch gar nix, es hilft halt nicht weiter, echt nicht. Ich habe mir also doch diese Bücher besorgt und sie unterwegs gelesen – das hätte auch vertrauenerweckend ausgesehen, wenn das mal wer gefilmt hätte, Andy und ich unterwegs zu irgendeiner Mission, er mit ’nem Buch über Mutationen oder Evolution, ich mit einem über Gaga. Das paßte leider alles sehr gut, was da drinstand: Die psychischen Grenzen, die das Selbst von anderen trennen, sind bei Schizophrenie verschwommen, man denkt zum Beispiel als Schizo, man wäre einerseits man selbst, und andererseits ein Schauspieler – Desintegration von Persönlichkeitsfunktionen, und paläologisches Denken, und Überaufnahme: Ich denke als Patientin zum Beispiel, ich wäre die Jungfrau Maria, nur weil ich Jungfrau bin und Maria auch Jungfrau war. Oder der sogenannte Konkretismus: Psychischer Einfluß wird als echte Berührung wahrgenommen. Ist das nicht einfach das Umgekehrte zu dem, was ich mit meinen Messern erlebe, oder irgendwie quer dazu, also nicht umgekehrt, aber so was halt, in der Art, oder nicht?«
    »Hmpf.« (Surfer girl, my little surfer girl)
    »Manchmal stehe ich vor dem Spiegel und will mich rasieren – das ist nicht irgendwas abstrakt Metaphorisches, das ist mein Alltag, jeden Tag, dieses Zeug, oder wir sitzen mit mehreren zusammen, und ich kriege diese abartigen Flatterzungen in meinem Mund und erzähle von Sachen, die ich gar nicht weiß, überhaupt nicht kenne, das kannst du dir nicht vorstellen, und das halbe Leben erleb’ ich wie unter Wasser oder als Wühlen im Schlamm am Grund des Meeres, immer diese Angst, daß es mich nicht gibt oder daß ich zerfalle, zusammengehalten werde ich eigentlich nur noch durch meine … Taten, und das war ja immer auch Colas Rezept: Du mußt handeln, du mußt was tun.«
    »Jo.« (Do you?)
    »Klingt auch super, hilft auch immer, bloß fragt sich, ob sie damit nicht noch Öl ins Feuer oder Wasser auf die Mühle, von der Schizophrenie her gesehen, da reinkippt, von wegen Schwächung der Impulskontrolle, daß halt Wahnsinnige eh nicht mehr diese Zensur haben, die sie, also, diese innere Zensur meine ich, die sie daran hindert, einfach nach momentaner Lust und Laune zu leben – früher hat man Irre genau an so was erkannt, die haben zum Beispiel öffentlich masturbiert, aber die W sind ja sowieso außer Kontrolle, das weiß ja jeder, das ist kein Kriterium. Sind wir alle irr, alle um Cola?«
    »Hmpf.« (Little surfer girl … little one …)
    »Und ich habe das alles jahrelang keinem erzählt, es kommt mir so vor … Du bist der erste, der … weil es eh egal ist, weil wir ja wahrscheinlich hier ertrinken und verhungern oder von den Latschis da drüben, da hinten, da vorn überall verspeist werden … Das ist fast gar nicht zu beschreiben, ich denke so Gedanken dann: Wenn ich falle, wenn ich in den Himmel falle, würde dann die Zeit aufhören? Ich würde tausend Meilen gehen, diesen Robert Rolf wieder zu treffen, als Körper, dachte ich immer, den echten, nicht den im Kopf, und ich dachte, ob er wohl je an mich denkt, obwohl ich da immerhin ich war, verstehst du?«
    Und dazu mußte Phil jetzt doch, Verletzung her, Erschöpfung hin, was Wahres sagen: »Ich weiß, was du meinst.«
    »Echt?«
    »Ja, echt … meine … ich habe eine Frau geliebt, die … sie hat … Astrid … so war … das, ich hab’ die ganzen Jahre immer an … sie … gedacht, als ob sie in meinem Kopf … mit … immer … kann nichts mehr essen … kann sie nicht vergessen.«
    »He, das reimt sich. Geil.«
    »Grönemeyer.«
    »Hä?«
    Er hätte ihr bestimmt erklärt, wer und was »Grönemeyer« mal gewesen war, wenn nicht in diesem Moment erst eine ungewöhnlich lange Libelle mit rotem Körper und

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