Für immer in Honig
eigentlich«, er schluckte und sprach klarer weiter: »Dies Steganodingens? Cordula war immer ganz wild auf diese … diese Gespräche zwischen Brunner und ihrem Geliebten, weil da noch was reincodiert sein soll, aber wie das jetzt genau geht, habe ich ehrlich gesagt nie …«
»Bitte Tommy, erklär’s dem Herrn aus Deutschland«, forderte Rumsfeld seinen Eleven auf, und der spulte das Erfragte ab, als wär’s sein Morgengebet: »Bei der Steganographie handelt es sich um eine Verschlüsselungstechnik, die im öffentlichen Bewußtsein bis zu den Schwierigkeiten im Gefolge des 11. September wenig verankert war. Selbst die in den Jahren vor der Katastrophe auf Cybertechnik aller Art versessene Unterhaltungsindustrie hatte kaum Notiz davon genommen; allein die den Menschen gegenüber technologisch weit fortgeschrittenen Außerirdischen in Robert Zemeckis’ Film ›Contact‹ von 1997 erweisen sich durch das Einfügen einer Bauanleitung in die Datei eines alten Schwarzweißfilms als kundige Steganographen. Eine steganographische – das heißt wörtlich: verborgen geschriebene – Nachricht reitet gewissermaßen huckepack auf einer herkömmlichen, so wie, wenn Sie den Vergleich gestatten, ein Dichter bei einem Akrostichon Namen oder Schlüsselwörter in Gestalt der Anfangsbuchstaben von Versen oder Strophen in ein Gedicht einschreibt. Was abgespeichert oder versandt wird, sind ganz gewöhnliche Bild-, Sound- oder Filmdateien, also Urlaubsfotos, Cartoons, Jingles und Geburtstagsmelodien. In die Daten dieser Dateien wird die semiotische Konterbande dann eingelegt wie Glasbausteinchen in ein Mosaik. Das funktioniert so, daß in die niederwertigsten Bits – den Least Significant Bits, LSBs – eines jeden Bytes der Datei zusätzliche Daten encodiert werden, die – abgesehen von kleinen Verzerrungen, sogenannten Degradationen in der Wiedergabequalität des Mantelobjekts – von nicht informierten Drittbeobachtern nicht bemerkt werden können.
Selbst eine Bitmap-Darstellung, das heißt eine komplette Aufschlüsselung der Datenstruktur, gibt nur bei einer quälend ausführlichen Bit-für-Bit-Analyse das Geheimnis preis. Abgesehen davon, daß der Verzerrungsfaktor bei umfangreicheren Botschaften kumulativ zunimmt und die Versendung großer Textmengen auf steganographischen Pfaden sich daher nicht empfiehlt – die Terroristen werden einander vermutlich auch keine langen Manifeste oder lyrischen Ergüsse übermitteln –, ist diese Methode äußerst abfangsicher, wenn kein Anfangsverdacht besteht. Falls die Daten in den steganographischen Files überdies noch durch zusätzliche kryptographische Software verschlüsselt sind, wie dies unseres Wissens bei den Minidiscs von Frau Brunner der Fall war, wird eine Überwachung schier aussichtslos. Wie die verborgenen Daten in einer Sounddatei dem Unkundigen lediglich als weißes Rauschen und chaotischer Lärm erscheinen, hört man die Melodie erst, wenn es zu spät ist. Im Fall von Frau Brunner …«
»Danke, Tommy«, Rumsfeld war zufrieden, Andy hatte mehr als genug gehört.
4 Als die Be- und Durchsucher sich zum Aufbruch vorbereiteten, dozierte Rumsfeld mit vom Wein gelockerter Zunge für den ganz in Anbetung erstarrten Tommy und diejenigen, die noch am Tisch saßen: »Es geht um Reichweite, es geht immer nur um Waffenreichweite. Als die Russen den INF -Vertrag unterzeichneten, das war 87, da wußten wir, daß wir sie haben. Reagan hat das schon vorher, schon 1985 gesagt, wir wollten es da aber noch nicht glauben – bei der Bombardierung Libyens kam aus Rußland kaum mehr als ein Protestwinseln, das ging unter, die waren schon am Ende, dieser Gorbatschow und seine Typen. Bald darauf haben sie dem dicken Kohl die DDR rübergeschoben, auch das hat bei uns einige überrascht … Condi hat das alles brillant vorhergesehen, es ist ein Jammer: Warum hat sie bloß mit der Wölfin paktiert, ich werde es nie begreifen …«
»Stimmt«, flüsterte Andy, schon nah am Ausgang, der Präsidentin zu, »das habe ich mich eh schon gefragt, wo ist eigentlich diese … diese Rice?«
»Condoleezza Rice?«
»Dieselbe.«
»Hat sich deine … hat sich Späth für die Pfauengruppe gekascht, noch vor dem Angriff auf Mekka und Medina.«
Andy widersprach: »Aber ich hab’ die Frau nie gesehen, die müßte doch…«
Hillary machte ein bedauerndes »Tsk«-Geräusch und erklärte: »Tja, nein, sie ist bei einem Unfall verstorben, ganz am Anfang der Totentanzphase – Späth hatte sie nach
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