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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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nämlich zu tun: Das Gebäude redete über Kabel und drahtlos, über Video und Telefon mit der ganzen Welt.
    Andreas Witter stand, als der Programmpunkt »Mrs. President« dann doch noch angekündigt wurde, gerade mit Chelsea, Prashad und zwei mexikanischen Chemie-Ingenieuren rechts von der Tribüne und suchte den riesigen Saal, vom mittleren, kirchenschiffartigen Menschenbecken bis hinauf zu den Balkons, sofort nach den Freundinnen und Freunden ab, mit denen er hergekommen war: Doktor Rock stand neben Valerie, die im Rollstuhl Faxen machte, ganz weit vorn, beide redeten auf eine Frau im Sari ein. Jennifer Brunner hockte wie der Lenin des berühmten Kominternkongreßfotos auf der Treppe, ihre Finger gaben dem Keyboard des Laptops den Rest. Neben ihr, in der Hocke, hatte sich Ms. Summers postiert, die strenge Blondine aus Hillarys Sicherheitsstab, und sah neugierig auf den Schirm von Jennys Maschine.
    »Hey«, lachte Chelsea, als das milde Interesse der versammelten Kinder, Eltern, Schwestern und Brüder der Revolution an dem, was die mächtigste Frau des von hier aus zu überwindenden Systems der Dinge womöglich noch zu sagen hatte, bevor sie sanft aufs Altenteil geschoben wurde, sich durch ein kurzes, aber wohlwollend diffuses Ansteigen des Brummpegels im Raum zu erkennen gab, »da ist Mom! Paß auf, die Begrüßungsformel wird spitze – wir haben die ganze Nacht dran gearbeitet.«
    Hillary strahlte. Andy hätte zu ihr laufen mögen, sie beglückwünschen und abküssen, lebendiger hatte er sie noch nie gesehen. Ohne, daß es ihm aufgefallen wäre, legte er seinen Arm um Chelseas Hüfte und sie ihren um seine. Dann klopfte die Präsidentin ans Mikrofon.
    Es wurde etwas leiser – als ob jemand eine große Styroporabdeckung auf die Niagarafälle gelegt hätte – und dann fand sie, wie damals 1992 für Bills Dankrede auf dem demokratischen Wahltreffen, genau die richtigen Worte: »Hello! It’s nice to see you all so incredibly busy!«
    Der Applaus, der darauf folgte, hinderte sie minutenlang am Sprechen. Die Freude entlud sich in Gelächter, Trampeln, Rufen und Pfiffen. Dann endlich setzte Hillary, sichtlich zufrieden darüber, wie gut sie ankam, zum ersten Satz ihrer hochbedachtsam auf spontan getrimmten schönen Rede an, den aus ihrem Mund aber nie jemand zu hören bekam. Denn in diesem Moment ging das Fest zu Ende und die lange arretierten Angelegenheiten des Schicksals nahmen vor Tausenden von Zuschauern im Gebäude und Millionen an bildkommunizierenden Maschinen überall auf der Erde ihren geschichtsmächtigen schlimmen Lauf.
    2  Vielleicht war sie durch ein Portal getreten, das dem glich, das den inzwischen zerstörten Berliner Zombietempel mit dem Weltraumversteck der Lena Dieringshofen verbunden hatte, vielleicht auch auf anders magischem Weg urplötzlich hinter Hillary gelangt.
    Cordula Späth stieß das Mikrofon lachend mit der Hand von Hillarys Mund weg, und als die Präsidentin verwirrt, beleidigt, erschrocken den Kopf wandte und der tatsächlich mächtigsten Frau der Welt ins Gesicht sah, erkannte sie dort etwas, das ebensowenig jemals jemand erfahren wird wie ihren letzten Gedanken.
    Das Gesicht, in das sie blickte, und das enthusiastisch: »Feierabend, jetzt reden wir!« rief, war das allerschrecklichste: die Wölfin, die Wahrheit.
    Menschen sind aus anderen Menschen zusammengesetzt. Diese Person aber war bloß sie selber.
    Der Krampf im Arm, der Stich in der Brust, der Herzanfall trafen Hillary, wie ein Orkan auf ein Blatt trifft. Sie kippte zur Seite, krümmte sich. Cordula trat sie noch im Fallen mit dem Stiefel von der Tribüne; sie hatte ihre Waffe schon erhoben, weil Jenny Brunner auf der Treppe den Laptop von den Knien rutschen ließ und nach ihrer von der Saalsicherheit nicht erfaßten Plastik-Nadelpistole unterm Hosenbein griff.
    Valeries Messer erwischten zwei von Cordulas mit Gasmasken verkleideten und geschützten Rotfeuerbomben-Werferinnen aus der Pfauentruppe, die rechts durch die Backstage-Flügeltüren auf die Tribüne rannten. Eine der beiden wurde ihre Giftgranate dennoch los. Sie flog gen Tribüne und platzte in der Luft. Die Leute schrien, drängten gegeneinander an. Widersprüchliche Kraftvektoren zerrten an der ganzen Versammlung.
    »Fuck!«
    »Korewa …«
    »Au secours!«
    Drei Russen – von Andy aus gesehen auf Neun-Uhr-Position in der Menge – hatten plötzlich Gewehre, schossen auf Doktor Rock, trafen aber nicht nur Braun, sondern auch die Inderin ins Gesicht. Zwei

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