Für immer in Honig
leblose Körper fielen vom Balkon. Es wurde bereits überall geschossen. Rote Giftwolken platzten, Sporen sausten durch die Luft, gut vorbereitete Agenten der Wölfin legten Gasmasken an. Jemand stieß Andy von hinten, er spürte einen Stich im Nacken. Dann tauchte er ab, geschubst und getreten, sank gegen die Stühle vorn. Chelsea fiel über ihn, schrie, riß ihn, der sich aufrichten wollte, fast wieder zu Boden, am Arm. Jenny Brunner, registrierte er, während sein Gesichtsfeld sich zu drehen begann, war von Cordula getroffen, sie sah wieder aus wie der Mann mit dem Schnauzbart, der sie manchmal war, aber tödlich erwischt: die Brust geöffnet, der Hals aufgerissen, die Stirn gespalten. Fred / Jenny fiel nach hinten, mit ausgebreiteten Armen, auf Leute, dann zwischen andere Leute, dann war er / sie fort. Die Menschendecke wogte, schwappte am Saalrand in die Höhe wie ein Ozean, in den ein mondgroßer Brocken aus dem All gefallen war.
»Valerie! Vorne, Verstärkung!« hörte Andy, an den sich Chelsea klammerte – sie hat Blut im Mund, und im Auge, dachte Andy verstört, warum hat sie Blut im Mund? – jemand schreien, und sah, daß es Philip Klatt war.
Der ehemalige Kapuziner hielt in jeder Hand Kugelblitze aus gelbem Feuer, die Stimme, die Andy rief, brüllte laut wie ein Düsenjet – oder gellte das nur in seinem Kopf so, vielleicht in allen Köpfen? Philip arbeitete sich vorwärts, rechts und links und hinten von Pfauensoldatinnen angegriffen, die auf ihn schossen, nach ihm griffen, traten. Philip überwand sie, kletterte über Opfer und Täter, verbrannte Gesichter und Haare, griff in fremde Nacken, drückte, wehrte sich, schlug und schrie: »God damn … fascist …«
Sie taten alles, um ihn aufzuhalten, und Andy begriff: Die haben Angst vor Philip, Halleluja, Gott sei Dank, die fürchten sich vor uns, wir sind noch nicht erledigt! Philips Weg nach vorn war Rache, Eifer, Mut, die Last der Jahre warf er ab, die Feinde gingen überrascht zu Boden. Andy verstand, warum Philip nicht floh: Wenn wir schon von eurer Hand sterben müssen, dann bestimmt nicht leise, und nicht auf der Flucht.
Chelsea knickte wieder ab. Andy hielt sie nicht fest, sondern wandte sich nach rechts, wo er etwas wie eine Lichtung im Irrsinn erkannte: Schneise schlagen, schnell. Die Tochter der Präsidentin zurücklassend, keilte er zwischen die Fliehenden, Panischen, und versuchte, den Kopf oben zu halten. Auf der Bühne wurde Cordula von einem Messer in die Hüfte getroffen, dann von einem zweiten in den rechten Arm, aber sie schoß, von jedem Messer nur rein kinetisch angestoßen, scheinbar nicht verletzt – Knauf, Schaft und Spitze steckten, aber kein Blut trat aus – auf Valerie, die jetzt von links im motorisierten Rollstuhl die Rampe hochfuhr, in jeder Hand ein Messer hielt und bereits mehrfach getroffen war: schwarze Flecken auf T-Shirt und Hose, eine dunkelrote Kerbe an der linken Schläfe.
Andy erreichte die Stelle, wo Jenny Brunner lag, sah sie als Fred Schörs zerschmettert liegen und schritt drüber weg, ohne Empfindung, ohne Gedanken, vor allem aber: ohne Waffe. Ein Mann, klein und rundlich, mit mehr Kinn als Hals, fiel vor ihm um und spuckte ihm Gelbes ins Gesicht. Andy wischte es sich aus den Augen, es brannte. Mit vier weiteren Schritten stand er endlich auf der Treppe und sah, schräg hinter sich zurückschauend, daß Philip Klatt weniger Erfolg gehabt hatte als er selbst: Sie hatten ihn jetzt doch überwältigt, zogen ihn runter, er kochte, mit seinen glühend heißen Händen, einigen ihre Eingeweide im Leib, verbrannte ein paar Arme, ließ Jacken und Hosenbeine in Rauch aufgehen. Aber er war gefallen, sein Kiefer war von einem Schuhabsatz gebrochen, eine Kugel steckte im Kreuz, zwei der Nähte, mit denen die Verletzungen versorgt worden waren, die er sich in Florida zugezogen hatte, waren geplatzt, und niemand hörte, wie er da unten, am Grund des Menschensees, schon halb bewußtlos grunzte, was aufgrund des Kieferschadens eh nicht zu verstehen war, während jemand den Knauf des Messers in seinem Kopf zu fassen bekam und die Klinge endlich, nach all den Jahren, rausriß, was ihn schließlich tötete: »Ach Scheiße … Astrid … fascist … sons of …«
Andys linkes Auge schloß sich, das Lid schwoll an.
Der ätzende Speichel des vergifteten Mannes, der ihn angespuckt hatte, brannte ihm am Kinn und auf den Lippen. Andy taumelte, wurde rechts von einem Gewehrknauf getroffen, rutschte ab, ein Tritt, ein Schuß
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