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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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sagte: »Worüber habt ihr euch wirklich gestritten – du und dein Sohn?« Andy seufzte, sah auf den Boden, schüttelte den Kopf. »Sie hat uns was ausrichten lassen. Sie will, daß wir sie besuchen. Ich … ich würde ja hinfahren, ich denke das … ich denke, daß das das Richtige wäre. Aber er will nicht, und alleine …«
    »Ja?«
    »Alleine …«
    »Hm?«
    »Alleine trau’ ich mich nicht.«
    5  »Aber natürlich«, sagte die Verurteilte zu Johanna Rauch und balancierte mit allerliebster Grazie ihre kleine Teetasse und die passende Untertasse auf der flachen Hand, »ist das ein Panzer, diese Coolness, die du zur Schau stellst. Du hattest doch sicher nicht nur Langeweile am Hals, sondern auch greuliche Fälle, oder? Keine Angst, meine Magie ist fast weg, ich lese keine Gedanken, hab’s nie gekonnt, erst recht nicht heute. Es ist alles anders geworden, selbst Jenny wäre nicht mehr … könnte uns nicht mehr an den Nasenspitzen ablesen, was wir denken, nehme ich an. Die Welt wird vernünftig, sonst hätte Lena ihr neues Bild davon, wie die Vernunft arbeitet, nicht veröffentlichen können. Es gibt eine kohärente Theorie der idealen Welt für eine kohärente Praxis der realen, die schon angefangen hat. Apollo regiert. Ich habe da nichts mehr verloren.«
    »Nostalgisch?« fragte die Psychologin leicht anzüglich.
    »Ach, die waren schon ganz nett, die Jahre der Teufelei. Erstklassige Abgründe und so. Na, nee, komm – erzähl mir was.«
    »Wovon?«
    Cordula stellte die Teetasse auf den Beistelltisch, wischte sich damenhaft den Mundwinkel und sagte: »Vom Scheußlichsten, was du in deiner Psychopraxis je gesehen hast.«
    Frau Rauch zierte sich nicht, sondern zuckte mit den Schultern und fing an: »Gut. Also, ein Mädchen war neu hergezogen, fühlte sich noch nicht richtig zuhause in … ah, ich darf die Stadt nicht nennen, richtig?«
    »Keine Informationen über deine Lebensumstände an mich. Sie haben Angst vor der Spinne, vor den Fäden, davor, ich könnte vielleicht doch ausbrechen, und je weniger ich dann weiß … Akademisches Problem, aber wir müssen es ernst nehmen.«
    »Gut. Die junge Frau war also neu angekommen in der ländlichen Kleinstadt nahe der etwas größeren Stadt, in der ich meine Praxis habe. Arbeitete im Stall bei einem der angesehensten Farmer, freundete sich mit einem Mädchen auf Arbeit an. Drei Wochen später gehen sie zu fünft – zwei Jungs, drei Mädchen – aus, um den Geburtstag der einheimischen Freundin zu feiern. Meine Patientin hat mir das genau geschildert, so, wie ich es dir jetzt erzähle: Sie geht heim nach der Arbeit, zieht sich um – ich weiß das noch, nach Jahren: Jeans und ein schwarzes Polohemd, sie fand das sexy. Die Kids gehen ins Kino, dann besuchen sie einen Club. Meine Patientin unterschreibt, wird Mitglied, sonst darf man da nicht rein. Es war halb elf abends, der Laden noch leer, dreißig Leute. Man trinkt Wodka mit Limo, unterhält sich, Plausch, Tanzen. Wenn sie auf den ­Dance­floor gehen, lassen sie ihre Getränke auf dem Tisch stehen, vor dem Absperrgeländer, es bleibt eigentlich immer eine oder einer dort, um drauf aufzupassen.«
    Cordula lächelte, als ob sie die Geschichte kannte, und sagte leise: »Eine Lücke. Irgendwann gab’s eine Lücke, einen Moment waren die Drinks unbeaufsichtigt, und wer drauf hätte achten sollen, ließ sich später nie klären, stimmt’s?«
    Johanna Rauch schien die Bemerkung zu übergehen, fuhr einfach nüchtern mit ihrem Bericht fort: »Das Mädchen – meine Patientin – unterhält sich gut an diesem Abend, trinkt, geht nach zwanzig Minuten Anwesenheit zur Bar, wegen Zigaretten, und da wird ihr auf einmal schwindlig. Sie geht in die Knie, kommt wieder hoch, kurz wird’s besser, dann merkt sie, daß sie von den Türstehern durch den Raum getragen wird. Sie ist umgefallen, wird in ein kleines helles Hinterzimmer gebracht. Sieht alles verschwommen, jemand reicht ihr einen ­ Cham­pagner kübel, sie kotzt rein. Panische Angst: Sie weiß nicht, was überhaupt los ist. Spürt ihre Arme und Beine nicht, kann nicht gehen, sieht dunkle Flecken. Ben, einer der Jungen, benimmt sich besonders verängstigt, er hat gesehen, wie sie gestürzt ist, daß ihre Augen offen waren dabei, daß sie fünf Minuten lang bewußtlos war. Eine Frau kommt ins Zimmer, stellt Fragen: Welche Drogen nimmst du? Sie sagt: Ich fasse keine Drogen an, aber die Frau glaubt ihr nicht, fragt weiter: Wieviel hast du getrunken? Nur einen Wodka mit

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