Für immer in Honig
und Böse bewegte – diese Erklärung hielt das Gericht für einen Affront gegen die Opfer und ihre Hinterbliebenen, und verfügte deshalb die Entfernung des Besessenen, der sie hatte verlesen wollen.
»Dieses Verbrechen war beispiellos, es gehört zu den abscheulichsten Fällen in der Kriminalgeschichte des Landes«, sprach der Richter, dem niemand ins Wort fallen wollte, und fügte hinzu: »Es gibt hier keinen Ermessensspielraum mehr, man darf nicht erwarten, daß dieser Täter jemals zu rehabilitieren ist.«
Und so befand der Richter denn, daß der 39jährige Angeklagte im vollen Umfang schuldfähig sei, das heißt: imstande, zu verstehen, warum diese Bestrafung ihn traf, obwohl er zuvor Patient in der Psychiatrie gewesen war, bei dem man eine Schizophrenie oder doch einige zu dieser Krankheit passende Symptome diagnostiziert hatte. Der Schuldspruch lautete auf Mord und auch versuchten Mord. Der Richter führte aus: »Sein Motiv der Rache an seinen Exfrauen hatte sich in Haß auf die Gesellschaft als ganze verwandelt. Nachdem er ein Leben voller Fehlschläge gelebt hat, wußte er, daß ein Angriff auf Kinder einer Eliteschule eine große Schlagzeile einbringen würde, und so kam er zu dem Schluß, daß dies eine angemessene Form der Rache an seinen Exfrauen darstellte.«
Der Angeklagte hatte sich vor der Verlesung des Urteils breitbeinig auf der Anklagebank gefläzt. Als er seine Erklärung in die Höhe hielt, drei Seiten, handbeschrieben, schrie er: »Laßt mich das vorlesen, ihr Schweine, ich werde ja eh zum Tode verurteilt.«
Als man ihn fortführte, ein Wachmann links, ein zweiter rechts, spie er beleidigende Bemerkungen in Richtung der Mitglieder von Familien getöteter Kinder, die sich im Gerichtssaal aufhielten: »Die Welt braucht keine Scheißkinder mehr! Die Toten kommen zurück, auf eure Kinder scheiße ich! Der Übermensch! Ich bin der Übermensch!«
Ein Küchenmesser mit langer Klinge war das Tatwerkzeug gewesen. 400 Kilometer westlich von Tokio stand die Stadt, stand die Schule, die der Auserwählte auserwählt hatte. Sieben Mädchen und einen Jungen hatte er dort umgebracht. Dreizehn weitere Kinder und zwei Lehrer waren verletzt worden.
Immerhin: Der Täter selbst hatte auf »schuldig« plädiert, mit dem Zusatz: »Ich hätte noch viel mehr umbringen können, wenn’s ein Kindergarten gewesen wäre.«
5 Man kann nach allem, was man über diese Dinge heute wissen darf, nicht sagen, daß das Feuer langsam losgegangen wäre. Nicht in den großen Städten der reichen Regionen noch an den Rändern gab es noch Langsamkeit: Schon die ersten Fünkchen führten zu ordentlichen Flammen, einige leckten himmelhoch von Anfang an. Die philippinische Affäre zum Beispiel, die auch eine indonesische war, loderte unübersehbar aggressiv, und wurde dennoch übersehen.
Fast wäre die Geschichte gänzlich untergegangen, im Rauschen der ansteigenden Panik seit den Anschlägen aufs WTC und das Pentagon, der darauf folgenden Verschiebung der Weltbalance, seit das neue patzige Selbstbewußtsein der Europäer auch noch beste moralische, pazifistische Gründe für sich zu reklamieren lernte, obwohl es hier wie überall, wo Lebende in Tote und Tote in Lebende verwandelt wurden, nur um letzte Verteilungskämpfe des von seiner eigenen Überlebtheit entstellten imperialistischen Zeitalters ging. So viel zumindest drang in die Zentren durch: Daß es da eine Insurrektion von vorher unbekanntem Ausmaß gegeben hatte, in Manila, als 300 Soldaten ein riesiges Einkaufszentrum mit Plastiksprengstoff-Sperrfallen verunzierten, um darauf aufmerksam zu machen, daß ihre Regierung nicht nur in legitimen Dingen mit den USA zusammenarbeite, sondern auch beim Versuch, durch geduldeten, sogar angeheizten Terror Krisensituationen herzustellen, die den Amerikanern erlaubten, im Land via Militäreinmischung und Sicherheitsinvestitionsdollars mitzuregieren. Ein paar beschemselte Verschwörungstheoretiker griffen sich die Nachricht gern und steckten sie sich zu den andern flamboyanten Federn an ihre spitzen Dunkelmännerhüte. Schließlich gab’s auch im Zusammenhang des Großpuzzles »elfter September« eine »Manila-Connection«.
In Wirklichkeit aber ging es in Manila einfach um die Errichtung einer zweiten Front, die anders als die arabische den USA wenigstens freundliche Kampfbedingungen bieten sollte, ihre Weltordnung zu verteidigen, bevor die ihnen völlig aus den Händen glitt.
Sowohl das Philippinen-Staatsoberhaupt
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