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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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Strafe wohl auch mal ein Ende finden würde.
    Wenn diese islamistischen Selbstmordattentäter wirklich glauben, wie unsere Orientalisten orakeln, es wäre eine verlockende Aussicht, die Ewigkeit mit einem empfänglichen Täubchenschwarm aus lauter Jungfrauen zuzubringen, dann haben sie eindeutig zuviel im Koran gelesen (haben sie eh, schon klar).
    Meine Erlösung blieb jedenfalls aus. Der bleiche Rächer verschwand nämlich immer sofort, wenn es so aussah, als könnte ich mich für einen Moment von den Teufelinnen losreißen, in kleinen oder großen Menschenmengen, hinter Säulen, neben der Garderobe oder im Aufbau von einem verqueren, aus klobigen Pappblöcken und Stellwänden bestehenden Kunstwerk, das neben der Garderobe sinnlos den freien Raum vollsymbolisierte.
    Es war der erste Abend, zu dem Valerie die beiden anderen Giftbonbons mitgebracht hat. Also nicht, daß Du denkst, ich würde Dir wirklich was Wichtiges vorenthalten. Die wissen scheint’s beide von allem, worum es bei unserem Provokram geht, eine ganz lustige Asymmetrie: Die erwachsene Bohemewelt denkt, was da vorgeht, sei echt, die kleinen Mädchen aber … Jim Morrison und sein Blues-Echo, alive and well: The men don’t know but the little girls understand.
    Andererseits: Vielleicht haben ja eben die Erwachsenen recht – und das, was die kleinen Mädchen und ich für gespielt halten, ist auf scheußlich-salzige Weise tatsächlich inzwischen echt geworden. Doppelidentität läßt sich offenbar nicht aufrechterhalten, haben wir ja schon bei Kurt Vonnegut (»Mother Night«) lernen können.
    Gone. Good riddance: I am gone.
    Wasted, meine ich. Richtig im Eimer.
    Die vielen Leben, die ich führe, krachen nämlich in das eine zusammen, das Du und ich damals so locker am ZKM -Cafeteriatisch ­hin­skiz­ziert haben. Daß Valerie mein richtiges, echtes Verhängnis wird und daß ich meine richtige, echte Freundin ihretwegen verstoße oder verliere, sollte ja mit Neonsignalfarben auf dieser Fassade zu lesen stehen, für die wir uns entschieden hatten, damit das Drama die Umwelt rührt und aufrüttelt oder wie.
    Bloß stimmt es jetzt: Am Sonntagmittag hat mich Judith geweckt (ich schlafe schon seit Wochen nicht mehr in unserem gemeinsamen Schlafzimmer, sondern in meiner dunklen Arbeitsstube) und mir verkündet, daß sie auszieht: »Bis das vorbei ist, was im Fall, daß es nicht vorbeigeht, eben auch heißen kann: bis überhaupt.« Das hat sie ganz sachlich gesagt, so was von im Recht (meine ich ernst, Michael), und ich stand bloß froschig da, verkatert, in der Unterhose, mit meinem modischen Bauchansatz und verklebten Haaren. What’s a guy to do, ich jogge, verstehst du, und wasche mir alle zwei Tage die Haare, aber meinst du, das bringt was, für fünf Cent? Stehe ich also da, desorientiert von der gespielten Unzucht des vorigen Abends und dem burning Blick des jungen Rockers, der mich bis tief in den Schlaf verfolgt hat, und höre mir den lodernden Laufpaß ruhig an, während sie sich zackig aufgebaut hat und Haltung bewahrt, mit ihren Taschen, und mir erklärt, daß sie bei einer Freundin unterkommen wird, der die Mitbewohnerin eben weggezogen ist: »Die Adresse von Ileana habe ich dir auf einen Zettel geschrieben, auf dem Kühlschrank liegt er. Aber ruf bitte nicht gleich heute an und versuch mich umzustimmen oder irgendwas. Ich habe da kein eigenes Telefon, nicht nötig, daß du nervst. Und sowieso: Gönn dir den Abstand, ich gönne ihn mir auch.«
    Fuck that.
    Judith zieht aus, um Elvis’ Willen, dabei ist sie die Hauptmieterin und hat mich zweieinhalb Jahre lang, während der doofen Fernbeziehungszeit, mit unendlicher Geduld darauf hinarbeiten lassen, daß ich endlich den Mut aufbringe, aus Frankfurt zu ihr zu ziehen, mit ihr zusammen so richtig solide eine Wohnung zu bewohnen. Erst, in Köln, war das Zusammenziehen ja noch nicht so deutlich Thema, dann, mit der größeren Entfernung, nachdem sie nach Berlin gegangen war, hat sie kein bißchen fordernd, nur immer ganz praktisch, sehr würdevoll und logisch, darauf bestanden: Es wäre ja eigentlich nicht das Absurdeste, wenn man’s mal auf die Reihe brächte, oder? Anstatt sich bloß alle zwei Wochen mit dem Zug anzusteuern, und manchmal, wegen stattgehabter Verstimmungen auf Distanz oder großer Arbeitsüberlastung oder anderem Dreck, einander dann eben auch mal zwei Tage lang zu verfehlen, bis man wieder einigermaßen auf derselben Spur groovt, da aber schon wieder auseinander muß, des blöden

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