Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
Vom Netzwerk:
daß da noch mehr Mädchen beteiligt waren?
    Was treibst Du da eigentlich? Das hatten wir nicht vereinbart, daß Dir das alles so viel Spaß machen darf!
    Gib Laut, was wirklich los ist, ich glaube kein Wort davon.
    In Sorge (teilweise),
    Der Beer
    2 
    Mensch Michael,
    Mach Dich nicht lustig, das nimmt Formen an, speziell betr. Ge­rüchte, die keiner mehr kontrollieren kann. Ich habe echte Probleme hier, inzwischen: in der Stadt, im Job, in der Wohnung und sogar im Kopf.
    Am Samstag habe ich angefangen, Gespenster zu sehen: Auf dem Konzert, von dem man dir berichtet hat, und auf der mit guten Gründen viele Leute mir, Valerie und den anderen Mädchen, von denen Dir berichtet worden ist – sie heißen Christina und Sarah, dazu gleich –, bei allem zugeguckt haben, was wir taten, dachte ich auf einmal, daß da ein ganz bestimmtes Augenpaar richtig in mich reingucken kann, alles durchschaut, und daß das vielleicht von Dir, in Deinem wahren Job als Teufel, geschickt worden ist, weiß der Pfarrer.
    Nicht, daß da nicht schon genug harte Wesen rumgelaufen wären: So viele Zombotiker, die in ihrem ersten, biologischen Leben nicht die Dreißig erreicht hatten, dann verstorben sind und wiederbelebt wur den, habe ich noch nie auf einem Haufen gesehen. Depigmentierte, fischige Gesichter, Klauenhände voll Arthrose oder nicht ganz ausgestandenem Rigor Mortis, pädomorphe Frauen, verquollen kindlich, haarige Männer mit zusammengewachsenen Augenbrauen, aber nur einem sehenden Auge drunter, das andere gelbweiß wie ein ungesundes gekochtes Ei, Masken mit betonten Wangenbeinen, offene Schenkel unter kurzen Hosen, aufgeblasene Backen, weil dahinter die angeschwollene schwarze Zunge vor sich hinleckte, die ältere Zombo-Modelle häufig so extrem entstellt …
    Aber mein Überwacher, der nicht zu den walking dead gehörte, hatte es noch besser drauf, mir eine Gänsehaut anzudrehen: so ein junger Rocker in zu großer Motorradlederjacke, immer zwanzig Schritte weit weg von uns, oder auch von mir, soweit ich allein rumgeschlichen bin. Ob ich im Foyer Plastikbecher mit angeblichem Bier, frisch gezapft aus der Pferdeblase, oder Cola für meinen Kinderharem hole, ob ich pissen gehe, ob ich vor den Mädels fliehe, um kurz draußen an der frischen Luft den Kreislauf wieder fit zu kriegen, während es drinnen wummert, aus den lautesten Lautsprechern ever – immer ist dieser Typ in der Nähe.
    Einmal, als ich mir die Beine draußen vertreten habe, stand er an der Telefonsäule, gegenüber vom Karl-Liebknecht-Haus der PDS . Kennste das? Gegenüber von dem Ding stehen jedenfalls zwei Freiluft-Sprechkisten rum, und der Mensch hatte dort was ganz Wichtiges, Dringliches in den Hörer zu lallen, starrte mich dazu an, als könnte es dabei nur um mich gehen, also: Mir wurde mau. Aber da war mir dann unpraktischerweise, bevor ich ihn stellen konnte, schon diese Sarah gefolgt, hatte mich am Arm gepackt und zurück in den Schuppen komplimentiert. Der Typ hat sich mir jedenfalls eingebrannt: höchstens neunzehn, Fadenbärtchen, Thou-Art-Lord-Satansleibchen, jede Menge Badges an der Kunstlederjacke mit wahrscheinlich eingerostetem Reiß­verschluß. Trägt sie sicher andauernd offen, wie es in dem alten Clash-Song heißt: I got my motorcycle jacket but I’m walking all the time – ein Spiegelblick in die Vergangenheit.
    So ähnlich habe ich nämlich auch ausgesehen, damals in der Klein- und später in der etwas größeren Kreisstadt, in meinem (bei den Helden auf den Postern abgeguckten) Heavy-Metal-Aufzug. Sogar weiße Turnschuhe hat er getragen, obwohl man das heute gar nicht mehr tut. Ich wäre irgendwann sicher rübergegangen zu ihm, hätte ihn angesprochen, gefragt, was er von mir will, aber die Mädels hielten mich bei sich fest, ich war eine Metallkugel in diesem Flippermagnetfeld, konnte bloß zwischen meiner o ffizi ellen Kindgeliebten und ihren beiden fast gleichjungen Sexmiezen rumschnicken. Hier ein Witz, da eine Armberührung, Kichern, Kätzchengrinsen, ein Parfüm, das nach Mandarinenschalen roch, viel Wimperntusche, zu große, zu warme Augen, besoffene Rehe mit kleinen Brüsten, duftenden Haaren.
    Ich der blöde Bock dazwischen, gebannt, mißbraucht, geknechtet. Nach einer Weile habe ich fast erlösungsheischend nach meinem Beobachter gelinst, in dessen stieren Blicken ein Vorwurf, eine Anklage zu lesen war, die mich für den ganzen Scheiß wenigstens schuldig sprach und damit in Aussicht stellte, daß er durch irgendeine Form von

Weitere Kostenlose Bücher