Für immer in Honig
Arrangements mit den zwei Städten wegen.
Da kriege ich also vor einem halben Jahr, ach was, nicht mal: vor fünf ziemlich schnell vorbeigezockelten Monaten endlich die Kurve, lasse mir sukzessive aus meinem weiter fortbestehenden Frankfurter Büro meine Bücher nachschicken, während das Zeug, das in der Frankfurter Wohnung sich gestapelt hat, einstweilen in Freiburg zwischengelagert wird, weil ich da ja immer noch die Bude mit der Zürcher Bettina habe, in der sich seit Ewigkeiten keiner mehr aufhält. Ich weiß: Interessiert dich alles nicht.
Ist aber der Rahmen dieses zerfallenden Lebens, Michael. Du mußt wirklich verstehen, was hier vor sich geht. Ich gehe kaum noch zur Arbeit, ahnst Du, was das heißt?
Ein o ffizi elles Arrangement, wie das mit mir hier laufen soll, der ich doch eigentlich noch Redakteur in FfM bin und nicht hier in der Zweigstelle, gab es eh nie. Ich betreue im Feuilleton ja eigentlich diese komische Schlußseite, habe das immer jeden Wochentag und manchmal sonntags erledigt, aber anstatt die Forderung zu stellen: fast zwei Jahre Schlußseite hauptamtlich sind genug, ich möchte ab jetzt mal wieder etwas gleitendere Arbeitszeiten haben – anstatt das zu erbitten, habe ich mir und der Frankfurter Redaktion eingeredet, das ginge schon alles so weiter, mit der Schlußseite: übers Intranet, unser Hermes-System, brah brah. Ich baue mit den vorhandenen oder reinkommenden Artikeln des Tages in Berlin die Seite, spreche mich per Mail und Telefon mit den Frankfurtern im Umbruch, in der Bildredaktion und so weiter ab … Die ersten dreieinhalb Monate hat das auch halbwegs geklappt, mit den erwartbaren Verlustquoten, na ja, Distanz. Aber dann fing die Komödie mit Valerie an. Mein Nachtleben begann zu brennen: So oft wie mit der Kleinen, ob in Begleitung von Dieter Fuchs bzw. seiner Stefanie, und ausgesuchten anderen Gerüchtmultiplikatoren, oder auch einfach auf Exhibitionistensafari, bin ich mit Judith nie weg gewesen, weder damals, an den Wochenenden, noch in der frühen gemeinsamen Berliner Zeit. Sogar Drogen habe ich mir reingeschmissen, obwohl ich immer der exotische Abstinenzler war, in Köln, in Frankfurt – von E bis K, hier ein Joint, da eine Line, dort etwas von diesem neuen Zeug, das sie »Schwester Mitternacht« nennen und von dem man plötzlich im Hirn Stimmen hört (aber nur anwesende, die dafür vervielfältigt, wie Gestalten im Spiegelkabinett – hast Du diese Pillen schon mal probiert?). So ein Flammenfeldzug fordert seinen Preis.
Erst fing ich an, später und immer später ins Berliner Büro zu kommen, mit der Ausrede (v. a. mir selbst gegenüber), ich müßte für richtige Schlußseitenentscheidungen ja sowieso immer erst die mittäglichen Redaktionssitzungen in Frankfurt und deren Ausgang abwarten, weil da so häufig ausschlaggebend mitentschieden wird, was auf die blöde Seite kommt, daß es doch gar nichts bringt, vorher was zusammenzubauen oder zu redigieren, was ich auf Halde habe. Mein Handy wurde schnell – wie sagen die blöden Strukturalisten? – das materielle Dispositiv dieses Selbstbetrugs. Können mich ja anrufen, wenn was ist. Lange schlafen. Kaputt rumlaufen. Verwahrlosung.
Früher, in der ersten Berliner Zeit, hab’ ich morgens spätestens um zehn meinen Platz im Büro eingenommen, übrigens am Rechner eines gerade erst entlassenen Kollegen.
Um sein Schicksal nicht zu teilen, erzählte ich den Kollegen in FfM erstmal, das Arrangement der Fernbetreuung meiner Seite wäre vorübergehend, ich würde sicher bald zurückkommen, und glaubte das sogar ein bißchen, weil ich nicht sicher war, ob ich mit Judith zusammenleben konnte – wollte – was weiß ich – und sie mit mir. Just vor dem Einzug hatten sich die Spannungen zwischen uns, die’s immer mal wieder gegeben hat, verschärft; konkreter Anlaß: weil ich eben derzeit mit allem, was ich mache, so unzufrieden bin wie seit langem nicht, und sie das natürlich nicht immer alles in Technicolor und Dolby Surround sehen, hören und erleben will, hat ja wiederum eigene Lebensplanungsprobleme, die mir auch nicht alle richtig gut reingehen, die ich teilweise auch für hausgemacht halte
Ja, jedenfalls, am Anfang habe ich das Provisorium explizit als solches zu leben versucht, saß wie gesagt meistens um zehn, also vor der Frankfurter Konferenz, im Berliner Außenausguck und rief dann regelmäßig irgendwelche Leute an, die in F f M gerade die Geschäfte führten, um irgendwelche ABM -Maßnahmen ergreifen zu
Weitere Kostenlose Bücher