Fuer immer mein - Mechthild Kaysers erster Fall
aufgerufen. Da sind Sie ja sogar mit Photo abgebildet.“
Mechthild ärgerte sich. Sie hatte das Gefühl, dass jemand Fremdes in ihre Privatsphäre eingedrungen war. Sie war immer dagegen gewesen, ihr Photo auf der Homepage veröffentlichen zu lassen. Aber der Polizeipräsident war der Ansicht, dass die Leiter der Kommissariate sowieso in der Öffentlichkeit stehen würden und deshalb nichts gegen eine Abbildung sprach. Damit lag er ja auch nicht falsch. Sehr oft war sie schon nach Pressekonferenzen in Zeitungen abgebildet worden. Aber Unbehagen löste ihr das trotzdem immer noch aus.
„Ich habe auch eine Bitte an Sie, Frau Kayser“, fuhr Herr Diopi fort, und sein Tonfall kam Mechthild aus anderen Zusammenhängen bekannt vor. Es hörte sich immer gleich an, wenn Hinweisgeber eine Gegenleistung erwarteten, die ihnen eigentlich nicht zustand. Meistens hatten sie selber Dreck am Stecken und wollten für ihre Hilfe reingewaschen werden.
„Mein Bruder lebt in Hamburg, aber leider kann ich ihn nicht besuchen. Ich bin da mal in etwas verwickelt worden. Nach dem Studium habe ich für einen Landsmann ein Paket aufbewahrt. Und was soll ich Ihnen sagen: Darin waren Drogen. Ich hatte wirklich nichts damit zu tun, aber bin dafür verurteilt worden. Nach dem Knast wurde ich hierher abgeschoben und darf jetzt nicht mehr nach Deutschland einreisen. Können Sie da nicht etwas für mich tun? Ich war ja schließlich unschuldig!“
Mechthild wusste, wie sie auf solche Vorschläge zu reagieren hatte. Ihr war klar, dass sie in Wirklichkeit nicht viel für ihren Gesprächspartner tun konnte, aber sie wollte die Schriftstücke.
„Sie wissen, Herr Diopi, dass ich Ihnen nichts versprechen kann. Aber wenn die Briefe uns wirklich weiterhelfen können, versuche ich etwas zu bewegen. Ist das okay?“
„Ich schicke Ihnen die Briefe per Express und achte darauf, dass sie keiner mehr anfasst. Schreiben Sie mir, ob Sie Ihren Mörder gefunden haben. Dann weiß ich wenigstens, dass Sie mir einen Gefallen schuldig sind.“
„Ich danke Ihnen wirklich, Herr Diopi. Meine Adresse finden Sie ja auf unserer Homepage. Und bitte lassen Sie sich nicht so viel Zeit. Es ist sehr dringend!“
„Schönen guten Tag!“ sagte ein blonder Jüngling hinter der Ladentheke. „Frauen haben bei uns freien Eintritt!“ Mit einer einladenden Geste wies er in Richtung der hinteren Räumlichkeiten, deren Eingang durch einen Vorhang aus blauem Samt verdeckt war.
Ayse Günher war etwas unsicher, wie sie sich verhalten und vorgehen sollte. Schließlich zückte sie doch ihren Dienstausweis und gab sich zu erkennen.
„Ach, die Sitte!“ tönte der Jüngling gelangweilt. „Ihr wart ja lange nicht mehr hier.“
„Nix mit Sitte“, entgegnete Ayse. „Mordkommission.“
Sofort stand der junge Mann hinter seinem Tresen stramm, salutierte und schrie: „Ich gestehe alles!“
„Lassen Sie den Scheiß!“ herrschte Ayse ihn sauer an. „Ich bin nicht zum Spaß hier.“
Als sie vor dem Pornokino stand und „For Men“ las, dachte sie noch, dass sie als Frau einen Bonus haben würde – über den freien Eintritt hinausgehend. Vielleicht war dem auch so, aber als Polizistin hatte man diesen wohl gleich verspielt.
„Ich ermittle in einem Mordfall. Einer Ihrer ...“, sie suchte nach Worten. „Ich meine, ein homosexueller Mann ist ermordet worden. Er soll häufiger in Sexkinos gewesen sein. Vielleicht kennen Sie ihn?“ Sie reichte dem jungen Mann das Photo von Lautermann. Dabei betrachtet sie ihr Gegenüber. Schade, dass er für die Frauenwelt verloren ist, dachte sie. Der junge Mann war nur mittelgroß, ausgesprochen gepflegt, hatte eine halblange, blonde Mähne, die ihm immer wieder ins Gesicht fiel und die er gekonnt um Aufmerksamkeit heischend aus seinem Blickfeld streichen konnte. Unter seinem ärmellosen T-Shirt zeichnete sich ein durchtrainierter Körper ab. Ayse kam ungewollt ins Schwärmen, aber wurde barsch zurückgeholt.
„Kenn ich nicht“, sagte der Jüngling kurz. Ayse glaubte ihm nicht. So wie Wolfgang Tölling die Szene beschrieben hatte, war das unwahrscheinlich.
Sie wollte erst einmal das Thema wechseln. „Wie läuft das eigentlich so ab, hier im Kino? Können Sie mir das mal zeigen?“
Widerwillig verzog der Jüngling sein Gesicht, ging aber trotzdem voraus und schob den Samtvorhang beiseite, um Ayse nach hinten zu geleiten.
Ayse trat auf einen Flur, der im Halbdunkel lag. Rechts und links waren Kabinen. Alle Türen standen offen. Durch
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