Fuer immer mein - Mechthild Kaysers erster Fall
er zu sagen hatte.
Mit einem Ton der Erleichterung fügte Mechthild noch hinzu: „Und ich bin Ihnen dankbar, dass Sie nicht gesagt haben, dass Sie die beiden vermissten Frauen ganz sicher für tot halten. Das denken Sie doch, oder?“
Bernd Schultze senkte den Kopf. „Ja, das denke ich. Und ich hoffe wirklich, dass ich mich irre.“
„Das hoffe ich auch! Glauben Sie wirklich, dass die Möglichkeit besteht, unser Mörder hält seine Opfer erst gefangen, bevor er sie umbringt?“
„Nein“, gab Schultze zu. „Ich glaube nicht, dass er sich an ihren Qualen ergötzen kann. Dann würde er sie nicht so schnell und geräuschlos töten. Das Töten ist ihm eigentlich zuwider, aber er kommt nicht drum herum. Wenn er die Frauen hat, tötet er sie gleich. Seine Persönlichkeitsspaltung macht es ihm möglich, seine, ich will es mal gute Seite seines Ichs nennen, nicht mit den Morden zu belasten. Dafür wählte ich vorhin das Bild mit dem beauftragten Handwerker. Er will mit den Morden eigentlich nichts zu tun haben. Er will es nicht gewesen sein und lehnt dafür die Verantwortung ab. Er ist wahrscheinlich nicht schizophren, aber leidet unter einer stark ausgeprägten Persönlichkeitsspaltung.“
„Woher kann das kommen? Müssen wir da nicht auch suchen?“
„Als Ermittlungsansatz können wir die Ursachen nicht gebrauchen. Das spielt erst eine Rolle, wenn wir ihn haben. Und dann nur für die Gutachter im Prozess, wenn es um die Frage der Schuldfähigkeit geht. Aber der Grund für die Spaltung ist in einer schweren Traumatisierung zu suchen. Misshandlungen, Missbrauch, Folter: all das können Gründe dafür sein. Aber der Täter kann auch ganz einfach geisteskrank sein, doch ich tendiere zu einer schweren Spaltung.“
„Und Sie glauben, er hört wirklich irgendwann einfach auf?“
Schultze wiegte seinen Kopf hin und her. „Wenn ihm seine Taten am Ende geholfen haben, dann ja. Ansonsten? Was wissen wir schon, was wirklich in ihm vorgeht?“
Das war nicht gerade ermutigend. Mechthild wollte das Gespräch beenden und allein gelassen werden. Sie hatte sich vorgenommen, eine Anfrage an alle norddeutschen Polizeien zu verfassen, um Erkenntnisse über aktuell verschwundene Frauen, die ins Profil des Täters passten, zu erhalten. Sie dachte immer wieder an das fünfte Kleid und das eine Opfer, das dem Täter vermutlich noch fehlen könnte. In Gedanken und ohne ein weiteres Wort an Schultze begann sie auf der Computertastatur zu schreiben.
Bernd Schultze verstand. Er wollte sich mit Ayse auf die abendliche Befragungstour im Schwulenmilieu vorbereiten. Das war jetzt wichtig. Er legte mit ihr eine Route fest, in welcher Reihenfolge sie die einschlägigen Lokale abklappern wollten. Dann fuhr er nach Hause und warf sich aufs Bett. Er wollte in Ruhe nachdenken und vielleicht noch ein bisschen schlafen, bevor sie sich treffen würden.
Ganz anders Ayse. Die eindringlichen Worte von Bernd Schultze setzten sie nicht nur unter Druck, jetzt endlich weiterkommen zu müssen; sie beunruhigten sie sehr. Noch mehr tote Frauen. Diese Erwartung ließ sie zittern. Ich brauche dringend frische Luft und Bewegung, entschied sie.
Draußen war das Wetter trüb, der Himmel immer noch zugezogen mit hellgrauen Wolken. Jeden Moment konnte es wieder zu nieseln beginnen. Ayse zog den Reißverschluss ihrer Jacke zu und das hintere Ende der Jacke fest nach unten, damit man das Holster ihrer Dienstpistole nicht sehen konnte. Sie schlenderte zum Sielwall-Eck und setzte sich in Jens’ kleinen Eckladen, um ein Bagel mit Mozzarella und Tomaten zu essen. Neben ihr am kurzen Thekenbrett am Fenster stand der Sheriff und erzählte Jens die Geschichten seiner neuesten Einsätze. Der Sheriff war ein bisschen verrückt, aber völlig ungefährlich. Er hielt sich für eine Art Geheimagent und war ständig im Einsatz. Hinten aus seinem Hosenbund hingen immer ein Paar Handschellen heraus, die als Beweis für seinen Job dienen sollten. Oft war er auch mit einer Spielzeugpistole ausgerüstet, was ihm allerdings häufig Ärger brachte, da aufgeregte Mitbürger die Polizei riefen, wenn der Sheriff demonstrativ seine Jacke öffnete, um allen seine Knarre zu zeigen.
Heute hatte er eine Fernbedienung für ein Fernsehgerät dabei, die bei jedem Knopfdruck ein rotes Lämpchen aufleuchten ließ. Unter dem Mantel der Verschwiegenheit erklärte er allen Anwesenden, dass er kurz vor einem Schlag gegen die Mafia stünde. Er bräuchte nur noch einen bestimmten Knopf seines
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