Fuer immer mein - Mechthild Kaysers erster Fall
er aus der Leichenschau mitgenommen hatte, monoton herunter. Demnach war die tote Frau etwa fünfzig Jahre alt, wahrscheinlich Anfang fünfzig. Sie schien eine Deutsche zu sein. Ihre Haare waren frisch blond gefärbt. Ihr Gebiss war bis auf eine Brücke, die einen fehlenden Backenzahn ersetzte, vollständig. Organisch war die Nichtraucherin auf den ersten Blick gesund gewesen. Roder machte hier eine Pause, um die Aufmerksamkeit bei den anderen noch einmal zu steigern, denn jetzt kam er zu etwas, das sie am Fundort nicht erkennen konnten.
„Ihre Brüste sind geöffnet und verkleinert worden. Des weiteren wurde ihr Bauchfett durch eine Fettabsaugung, einer Liposuction, verringert. Beide aus der Schönheitschirurgie bekannten Eingriffe wurden aber unprofessionell durchgeführt. Von Sülzen bezeichnete die Arbeitsweise als grob und stümperhaft.“
„Und die Todesursache?“ unterbrach ihn Ayse Günher ungeduldig.
Roder blickte sie vorwurfsvoll an. Als wenn er etwas vergessen würde. Blödes Weibstück, dachte er, musste sich nun neu sammeln und nachdenken, wie er seinen Bericht fortsetzen sollte. „Bislang geht von Sülzen davon aus, dass sie an einem starken Stromschlag verstorben ist. Eine entsprechende Verletzung ist ebenfalls an ihrer Bauchdecke zu erkennen gewesen. Eine abschließende Auskunft ist dies aber nicht. Von Sülzen legt sich erst nach Abschluss der Organuntersuchungen fest. Ihr kennt ihn ja.“
Mechthild Kayser machte sich wie alle anderen Notizen, zog ihren Stuhl heran, um aufrechter zu sitzen, und fragte an Roder gewandt: „Und? Gibt es noch weitere Ansätze für Ermittlungen?“ Sie war wie immer ungeduldig.
„Ja, sicher!“ erwiderte Roder. „Sie hatte eine Vorliebe für Klamotten aus den sechziger, vielleicht siebziger Jahren.“ Er beschrieb die Kleidung der Toten. Alle Kleidungsstücke stammten ausschließlich und original aus dieser Zeit. Die Etiketten waren zum großen Teil zwar schon verblasst, aber Schnitte und Materialien ließen keinen Zweifel zu.
„Und zum Teil waren sie ihr eine Nummer zu klein.Vielleicht wollte sie sich deshalb von ihrem überschüssigen Fett befreien“, mutmaßte Roder zum ersten Mal. „Und sie war im Gesicht vollständig geschminkt. Die Fingernägel waren sorgfältig lackiert! Im Grunde genommen war sie festlich gekleidet. Sie trug ein blaues Paillettenkleid. So, als wenn sie ausgehen wollte.“
Asye Günher unterbrach Roder erneut. „Wo kriegt man denn heute noch diese Klamotten her?“
Jetzt fuhr Mechthild Kayser dazwischen. „Moment! Spinnen können wir später.“ Sie war verärgert über Ayses vorlaute Art und pochte energisch mit den Fingern auf die Tischplatte. „Jetzt soll Roder erst mal alles auf den Tisch legen. Also bitte weiter, und keine Unterbrechungen mehr!“
Roder freute sich über die Zurechtweisung seiner Kollegin. Seit Ayse mit der Chefin befreundet war, nahm sie sich für seinen Geschmack zuviel heraus. Man musste jede Gelegenheit wahrnehmen, sie daran zu erinnern, dass er als Kaysers Stellvertreter auch ihr Vorgesetzter war. Er setzte mit einem hämischen Lächeln in Ayses Richtung wieder an. „Die für die chirurgischen Eingriffe eingesetzten Instrumente und Geräte waren professioneller Herkunft. Neben den üblichen Instrumenten für die Brustöffnung wurde für die Fettabsaugung eine sogenannte Vakuumpumpe eingesetzt. Dabei gibt es verschiedene Vorgehensweisen, bei denen eine bestimmte Flüssigkeit eingespritzt wird, die das Fettgewebe so verändert, dass es anschließend mit dieser Pumpe abgesaugt werden kann. Dazu werden Kanülen unter die Bauchdecke geschoben. Es wurden auf jeden Fall keine ganz feinen Kanülen verwendet.“ Roder brauchte dringend eine Zigarette, aber im Besprechungszimmer herrschte Rauchverbot. Er wollte sich beeilen, zum Ende zu kommen. „Die Schnitte an den Brüsten wurden, nachdem auch hier Fettgewebe entfernt wurde, nicht vernäht, sondern es wurden nur die Wundränder zusammengezogen und mit einem weißen Gewebeklebeband verklebt. Das war keine medizinisch zulässige Methode, da das Klebeband nicht steril ist, sondern Heimwerkerart, wie von Sülzen das bezeichnete. Also auf gar keinen Fall professionell.“ Roder räusperte sich. Sein Kratzen im Hals verlangte nach einem Nikotinschub. „Ach ja: Den Zeitpunkt des Todeseintritts konnte von Sülzen noch nicht für uns relevant eingrenzen. Obwohl wir dank der Ermittlungen von KK Heller wissen, dass die Leiche mindestens vier Wochen in der Grube lag,
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