Fuer immer mein - Mechthild Kaysers erster Fall
Gelegenheit wahr, gegen die verhassten Lehrer zu opponieren und musste im Ergebnis das Gymnasium verlassen. Sehr zum Leidwesen seiner Mutter, die aus ihm gerne einen Stararchitekten oder wenigstens einen Arzt gemacht hätte. Nun hatte er eine Gärtnerlehre angefangen.
Jetzt, in diesen Jahren, wo seine eigene Sexualität in ihm lebendig wurde, ließ Berta plötzlich von ihm ab. Wieder etwas, das ihn verunsicherte, weil er es nicht verstand. Und obwohl er begann, den Zusammenhang zwischen ihr und seinem Leben im Suff zu verstehen und sich zeitweise Hass und Gewaltphantasien gegen Berta richteten, war sie für ihn doch immer auch eine feste, einschätzbare Instanz geblieben. Er hatte sogar manches Mal daran gedacht, mit ihr weiter zusammen zu leben und damit wenigstens etwas Sicherheit zu erhalten. Aber ihre Abkehr von ihm war so deutlich, dass ihm selbst dieses kleine Glück vorenthalten blieb. Das Verlangen, von seiner Mutter geliebt zu werden, war ungebrochen, wurde aber mit jedem Tag ausgeschlossener. Und sein Vater hatte nur noch den Betrieb im Kopf. Für ihn existierte er überhaupt nicht mehr. Besonders sein schulisches Versagen war der Grund, warum er ihn völlig fallengelassen hatte.
Benjamin sah seine Eltern nur noch selten. Dass von Anfang an schon sein Kinderzimmer mit eigenem Bad versehen war, unterstützte die Trennung einmal mehr. Man traf nicht einmal versehentlich bei der Morgentoilette zusammen.
Aber der große Knall kam noch. Eines Tages standen Beamte der Steuerfahndung vor der herrschaftlichen Villa. Benjamins Vater wurde von der Polizei abgeführt, und auch der eiligst herbeigerufene Staranwalt konnte nicht verhindern, dass das ganze Haus durchsucht wurde. Benjamins Mutter lief an diesem Tag nur noch hysterisch kreischend durchs Haus und beschimpfte den hilflosen Anwalt als unfähig und nutzlos. Steuerhinterziehung und Subventionsbetrug lauteten die Vorwürfe gegen Benjamins Vater. Im Laufe der Untersuchungshaft in Essen brach das Unternehmen seines Vaters zusammen. Die Villa wurde gepfändet. Die Fabrik ging in Konkurs. Das alles interessierte Benjamin aber nicht mehr. Er wusste längst, dass er für sich alleine auf der Welt war und selbst für sich sorgen musste. Sein Vater erhielt eine Bewährungsstrafe und wurde so vor einer Gefängnishaft bewahrt. Aber alles war verloren.
Da sie im Ruhrpott sehr bekannt waren und seine Mutter die Schande nicht aushielt, zogen sie nach Bremen und mieteten ein kleines Reihenhaus in der Bremer Vahr. Benjamins Vater war bemüht, konnte aber nicht wieder Fuß fassen. Wer wollte schon einen vorbestraften Steuerhinterzieher in eine verantworungsvolle Stellung in seine Firma holen? Aber als kleiner Angestellter zu arbeiten, konnte er nicht verkraften. Und seine neuen Arbeitgeber, die es mal mit ihm versuchen wollten, auch nicht. Seine Mutter erlebte den sozialen Abstieg nur als kurze Periode. Wie sich zeigte, hatte sie schon lange für sich vorgesorgt und einen Ausweichplan für sich vorbereitet. Aber nur für sich. Benjamin und sein Vater waren darin nicht vorgesehen.
Während Benjamin seine Lehre in einem Bremer Gartenbaubetrieb erfolgreich zu Ende brachte, verzog sich seine Mutter über Nacht mit einem reichen Verleger nach Amerika, von wo aus sie über Anwälte die Scheidung von ihrem Mann regelte. Obwohl er noch keine 18 Jahre alt war, ließ sie ihn einmal mehr im Stich.
Kurz darauf zog Benjamin aus und suchte sich eine günstige Bleibe. Einige Wochen, nachdem die Scheidung seiner Eltern vollzogen war, erhielt Benjamin Besuch von seinem Vater. Er wirkte alt und erschöpft und ein wenig ungepflegt. So schnell kann es kommen, wenn man kein Geld mehr hat für teure, gepflegte Kleidung und den wöchentlichen Frisörbesuch.
Das billige Appartement, das Benjamin jetzt im Aalto-Hochhaus bewohnte, war nur spärlich eingerichtet. Vor Jahren hätte sein Vater eine solche Wohnumgebung für seinen Sohn schwer missbilligt. Aber heute hatte er wahrscheinlich auch nicht mehr. Und Benjamin war das ziemlich gleichgültig. Dass Geld allein nicht glücklich machen konnte, hatte er zur Genüge gelernt.
Sein Vater machte nicht viele Worte. Und auch Benjamin wusste nicht, worüber er sich mit diesem ihm mittlerweile fast fremden Mann unterhalten sollte. Sein zermürbter Vater hatte einen Koffer dabei, den er Benjamin mit wenigen holprigen Worten übergab und ihm dann alles Gute wünschte, bevor er sich verabschiedete. Für einen Moment verharrte sein Vater steif vor
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