Fuer immer mein - Mechthild Kaysers erster Fall
durchgeknallten Mörders vortäuschte?
Mechthild musste sich Mut machen. Am Anfang einer Ermittlung war sie oft voller Versagensängste, spürte den Druck, dem sie als Frau in dieser polizeilichen Männerwelt ausgesetzt war. Spürte Roder mit seinen Vorbehalten gegenüber Frauen. Und ihren Polizeipräsidenten, der sie zur Leiterin der Mordkommission gemacht hatte – entgegen aller anderen Empfehlungen seines sonst ausschließlich männlichen Führungsstabes. Da durfte es keine Enttäuschung geben. Alle Erfolge der Vergangenheit würden nicht mehr zählen, wenn sie es einmal nicht hinkriegen würde. Als wenn es ausschließlich an ihr liegen würde. Mechthild wurde wieder einmal mehr bewusst, dass sie es noch lange nicht geschafft hatte, die Anerkennung zu erlangen, die man brauchte, um auch mal einen Fehler machen zu dürfen.
Für einen Augenblick dachte sie, dem Druck nicht standhalten zu können, und wollte alles hinwerfen, einfach zurücktreten und sich der Verantwortung entziehen. Aber dann sah sie all die Frauen vor sich, die von ihr erwarteten, dass sie sich behauptete und der Männerwelt zeigte, dass sie es genauso gut konnte wie sie. Sogar besser. Mechthild Kayser atmete tief ein. Ob Männer so was wohl auch erleben? fragte sie sich. Sie musste sich Mut machen. Ihre bisherige Aufklärungsquote war hoch. Sie waren einfach gut. Und sie würden es auch diesmal schaffen. Entschlossen schaltete sie ihren PC ein und vereinbarte per E-Mail einen Termin mit dem Polizeipräsidenten zur Vorbereitung der Pressekonferenz. Dann vertiefte sie sich wieder in die Vermisstendatei.
Polizeipräsident Ernst Logemann verabscheute Pressekonferenzen. Die Reporter störten ihn, ihre Fragen empfand er als überflüssig, er liebte es zudem nicht, womöglich auch noch auf einem Photo in der Zeitung abgebildet zu werden, das seine Nachbarn in Horn mal wieder daran erinnerte, dass sie schließlich neben dem Polizeipräsidenten wohnten und sich entsprechend zu benehmen hatten. Logemann gehörte nicht zu den Polizeioberen, die glaubten, ständig im Dienst sein zu müssen. Er war einer von denen, die ein eigenständiges und abgeschirmtes Privatleben ihr eigen nennen konnten. Er hatte ein Wochenendhaus an der Ochtum, so weit vom Flughafen entfernt, dass er nicht durch den Lärm startender und landender Flugzeuge gestört wurde und seiner Leidenschaft, dem Angeln, in aller Ruhe nachgehen konnte. Was niemand wusste, war, dass er sich erlaubte, keinen Angelschein zu besitzen. Auch wenn es eigentlich lächerlich war, aber er brauchte für sich selbst ein kleines bisschen Illegalität in seinem Leben. Doch weiter ging seine „kriminelle Energie“ nicht.
Die Urlaube, die er mit seiner Frau und endlich nicht mehr mit den mittlerweile erwachsenen Kindern verbrachte, führten ihn immer wieder nach Skandinavien. In Norwegen und Schweden mieteten sie sich eine Hütte an einem Fjord oder einem der großen Seen. Und zwingend für die Buchung war die Verfügbarkeit eines Boots mit Außenborder. Dort vergaß er natürlich nie, ordnungsgemäß eine Angelerlaubnis, die „fiske kort“, zu erwerben, bevor er sich stundenlang und oft bei Regen mit ein oder zwei Ruten auf dem Wasser der Ruhe hingab. Hier vergaß er, dass er genau wusste, als Bürokrat verschrien zu sein. Immerhin war er schon 18 Jahre Polizeipräsident.
Zurzeit war er allerdings auch kommissarisch als Leiter der Kriminalpolizei eingesetzt, da sich die Politik selbst sechs Monate nach öffentlicher Ausschreibung der Stelle nicht auf einen Kandidaten einigen konnte. Ein Trauerspiel. Deshalb musste er auf der heutigen Pressekonferenz nicht nur einleitende Worte von sich geben, sondern auch den Part des Kripoleiters mimen.
Na, die Kayser wird’s schon machen, beruhigte er sich. Schade, dass sie noch nicht soweit war, sich selbst auf die Kripoleiterstelle zu bewerben. Der Posten würde ihr gut stehen. Eine Frau als Leiterin der Kriminalpolizei in einer deutschen Großstadt. Er würde gegebenenfalls für sie votieren. Und damit einmal mehr als ihr Protegé kritisiert werden. Aber es hatte ihm schon damals eine tiefe Befriedigung verschafft, all die sauren Gesichter wahrzunehmen, als er sie zur Leiterin der Mordkommission machte. Auf der Konferenz der Polizeipräsidenten hatte ihm so mancher Kollege aus einer anderen Stadt offen sein Unverständnis gezeigt. Einige glaubten sogar, er hätte ein intimes Verhältnis mit der Kayser. Na ja, so ging er wenigstens ein bisschen in die deutsche
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