Fuer immer mein - Mechthild Kaysers erster Fall
machte eine Pause, damit alle diese Information in Ruhe aufnehmen konnten. „Sicher ist aber auch, dass sie vor dieser Kleidung mit Textilien aus der heutigen Zeit bekleidet war. In ihren Achselhaaren hat von Sülzen entsprechende Fasern entdecken können. Besonders interessant ist aber, bevor ich zur Todesursache komme, Folgendes: Kurz vor ihrem Tod oder unmittelbar danach wurden ihre ursprünglich braunen Haare blond gefärbt, ihre Nägel lackiert, und sicher ist, dass sie erst nach Eintritt des Todes geschminkt wurde, da lebendige Haut ein Make-up anders annimmt, als es bei ihr der Fall war.“
Roder wartete auf Reaktionen der anderen. Seine Erläuterungen zur Todesursache sparte er sich bis zuletzt auf.
„Dann hat sie jemand nach ihrem Tod herausgeputzt, bevor er sie verschwinden ließ?“ fragte Heller in die Runde.
Niemand antwortete. Alle blickten zu Mechthild Kayser. Sie brauchte gar nichts zu konstatieren. Diese Umstände wiesen nicht auf einen Unfall oder ein medizinisches Missgeschick hin. Alle dachten an Mord.
Mechthild Kayser sprach Roder direkt an: „Und die Todesursache? Kann von Sülzen sich festlegen?“
Roder hob einen weiteren seiner Notizzettel auf. „Von Sülzen hat Blut, Leber und Lunge untersucht. Nirgends gab es Spuren einer irgendwie verabreichten Anästhesie oder eines Sedativums.“
„Oh, Gott. Die Arme!“ entfuhr es Ayse Günher spontan bei dem Gedanken, dass der Frau bei lebendigem Leib die Brüste aufgeschnitten wurden.
Roder verstand, was sie meinte. „Nein, so war es auch nicht. Alle“, er stockte, „Eingriffe, will ich sie mal nennen, sind post mortem, also nach Eintritt des Todes vorgenommen worden. Sie musste demnach keine zusätzlichen Qualen erleiden.“
„Und woran ist sie gestorben?“ wollte Mechthild jetzt wissen.
„Eindeutig an einem Stromschlag. Sie wies entsprechende Verbrennungen auf der Bauchdecke auf. Ein zweipoliger, spitzer Gegenstand wurde ihr auf den Bauch gedrückt. Die Spuren lassen keinen Zweifel zu. Ihr Herz blieb einfach stehen. Sie ist umgefallen und mit dem Kopf seitlich aufgeschlagen. An ihrem rechten Ohr ist ein Hämatom, das wahrscheinlich daher rührt. Es ist also eindeutig Mord. Roder war mit sich zufrieden, aber seine Chefin nicht.
„Irgendwelche sexuelle Handlungen, hatte sie Kinder bekommen, gibt’s Operationsnarben? Was ist, Roder? Das kann doch nicht alles sein“, insistierte sie gereizt. Eigentlich richtete sich ihre Wut nicht gegen Roder. Sie war innerlich aufgebracht über die Art dieser Tat. Das war doch krank. Und das ließ sie erschrecken. Dieser modus operandi passte doch nicht zu jemandem, der zum Beispiel in rasender Eifersucht seine Geliebte umbringt. Hier steckte mehr dahinter, und das machte ihr Angst.
KHK Roder schluckte die ungerechtfertigte Maßregelung seiner Chefin runter. Sie war eben eine Frau. Er war auch angestrengt und unter Druck, aber er hatte sich im Griff. Er konnte sich beherrschen. „Kinder hatte sie keine bekommen. Und sie war auch nicht unterm Messer gewesen. Von Sülzen hat einen Gebissabdruck angefertigt. Wenn wir ihren Zahnarzt finden, wissen wir, wer sie ist. Straftaten, die das Festhalten ihrer Fingerabdrücke nach sich geführt hätten, hat sie nie begangen. Jedenfalls nicht in Deutschland. Die Daktyloskopen haben keinen übereinstimmenden Abdruck gefunden. Übrigens auch keinen anderen, der nicht von ihr stammt. Und zu den sexuellen Handlungen: Es wurden keine an ihr vorgenommen. Weder Vagina, Anus oder Mundhöhle beherbergten diesbezügliche Spuren.“ Roder lehnte sich in seinem Stuhl zurück und warf seine Notizblätter auf den Tisch. „Das war’s! Von Sülzen hat zugesagt, bis morgen Abend seinen Bericht rüberzuschicken.“
Der junge Staatsanwalt ergriff das Wort. „Sie gehen also wirklich von Mord aus?“ fragte er. Dabei senkte er unsicher den Blick und blätterte in einer Beckschen Ausgabe des Strafgesetzbuches.
Mein Gott! dachte Mechthild. Ein blutiger Anfänger. Ihre Kollegen mussten das Gleiche denken, denn niemand antwortete. Hoffentlich mischt er sich nicht mit idiotischen Vorschlägen in unsere Arbeit ein.
Nach geltendem Recht war die Staatsanwaltschaft die Herrin des Ermittlungsverfahrens und die Kriminalpolizisten bloß ihre Hilfsbeamten. Die Regel war aber, dass die Kripo die Untersuchung betrieb und als Ergebnis an die Staatsanwaltschaft gab. Dennoch war bei schwerwiegenden Verbrechen eine enge Zusammenarbeit ausgesprochen hilfreich und angezeigt. Zumindest, wenn
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