Für immer tot
sagt er.
Bleib hier, sagt Baroni.
Doch Max reißt die Tür auf, zieht Baroni mit sich, läuft an Paul vorbei nach unten.
Er macht Licht an, alles, was er hat, Scheinwerfer, Taschenlampen. Er muss sie suchen. Was, wenn sie in einem der Gräber liegt, wenn sie ganz nah ist, direkt vor seinen Füßen? Vor einem Jahr hat schon einmal jemand ein Grab geöffnet, eine Leiche wurde gestohlen, jemand hat es geöffnet, ohne Spuren zu hinterlassen, hat den Sarg gehoben und die Leiche mitgenommen. Es ist möglich, Max weiß es. Vielleicht hat er sie vor seinen Augen vergraben, er muss sie suchen, genau hier, etwas anderes fällt ihm nicht ein. Ihm nicht, und Baroni auch nicht.
Betrunken stolpern sie zwischen den Gräbern herum, sie suchen nach etwas, das ihnen sagt, dass ein Grab geöffnet wurde, Kränze, die nicht an ihrem Platz liegen, Holzkreuze, die schief stehen, bewegte Erde. Sie drehen jeden Stein um, sie untersuchen Grab für Grab.
Wie Max mit seinen Händen in der Erde wühlt, fühlt, ob sie frisch umgegraben wurde, wie er an Grabsteinen rüttelt, wie Baroni sich immer wieder hinlegt und horcht, ob unter der Erde etwas ist, ihre Stimme, Tilda, die nach Hilfe ruft.
Zwei Männer am Friedhof, mitten in der Nacht.
Und wie sonst alles still ist.
Drei
Hanni weckt ihn.
Sie hat ihn zurück in die Wohnung gebracht, nachdem sie ihn am Friedhof gefunden hatte, wühlend, schreiend. Er hatte Tildas Namen gerufen, immer wieder, laut. Sie hat Baroni nach Hause geschickt und Max überredet, mit ihr zu kommen, über die Stiegen nach oben. Die Beamten packten ihre Sachen, Paul sagte, sie könnten im Moment nicht mehr tun. Mit der Suche könne erst begonnen werden, sobald es hell wird. Die Peilung sei schwierig, hieß es. Hanni machte die Tür zu. Sie sperrte zu, schob Max ins Bad, zog ihn aus und stellte ihn unter die Dusche.
Wie sie versuchte, ihn zu beruhigen, ihn zu trösten, ihn wieder auf den Boden zu bringen. Wie sie ihm den Rücken einseifte, seinen drahtigen Körper, wie sie hinter ihm stand, ihn berührte, ihn festhielt, als er etwas sagen wollte, fluchen wollte, aus der Dusche rennen wollte. Zärtlich legte sie ihre Arme um ihn. Überall ihre Haut, die ihn still stehen ließ.
Du kannst jetzt nichts tun, sagte sie.
Max blieb und spürte sie.
Wenn es hell ist, sagte sie.
Wie liebevoll sie war. Hanni Polzer, die Besitzerin des einzigen Würstelstandes weit und breit. Wie sie sich um ihn kümmerte, wie das Wasser auf sie fiel. Wie er sich zu ihr umdrehte und sie küsste, weil alles andere so laut war, so schwer. Wie sie ihn kurz fragend anschaute, dann aber seine Zunge nahm. Max machte die Augen zu, er wollte nur ihre Haut spüren, ihre Hände, er wollte nicht zurück in die Wirklichkeit, er wollte etwas anderes spüren als die Angst um Tilda. Er wollte Hanni, er wollte nichts anderes mehr, nur sie, ihre Brüste, ihren Mund unter dem Wasser, dann im Bett, ihre Körper, vertraut. Wie sie die Gedanken an Tilda verwarfen. Kurz nur. Wie Max sie überall küsste. Wild, wütend. Wie sehr er sich an sie schmiegte, wie sie ihn aufnahm an ihrem Körper. Vor vier Stunden. Vor vier Monaten, vor einem halben Jahr. Wie schön Hanni alles machte, immer. Egal welche Farbe es hatte, welche Form, egal wie beschissen die Welt war an manchen Tagen, mit ihr war sie besser. Hanni und Max.
Wie sie über seine Wangen streicht.
Aufwachen, sagt sie.
Max zieht sich an. Er muss noch ein Loch graben, eine alte Frau ist gestorben. Er hat es vor sich hergeschoben, das Begräbnis ist in sechs Stunden, er hat keine Zeit mehr, er muss sich beeilen, er muss Tilda suchen, er muss das Grab schaufeln.
Er hätte es am Vortag machen sollen, so wie immer, doch Baronis Zombiefilm kam dazwischen, die Entscheidung, das Graben als Morgensport zu sehen, fiel ihm am Abend leicht.
Zuerst das Grab und dann die Tapas, hatte Baroni gesagt.
Der Tag beginnt anders als geplant, härter, aussichtsloser. Langsam kommt alles, was passiert ist, wieder in seinen Kopf, der Alkohol verschwindet aus seinem Körper, die Realität rüttelt an ihm, die Umarmung, aus der sich Max eben geschält hat, liegt wieder weit hinter ihm. Hanni macht Kaffee, sie ermutigt ihn, macht ihm Hoffnung. Sie versucht es.
Alles wird gut, sagt sie.
Max schüttelt nur den Kopf und wählt Baronis Nummer.
– Du musst mir helfen.
– Was soll ich?
– Du musst mir helfen, das Grab zu machen.
– Ich schlafe noch.
– Bitte komm runter und hilf mir, wir müssen uns beeilen.
– Ich bin
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