Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Für immer tot

Für immer tot

Titel: Für immer tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Aichner
Vom Netzwerk:
das sie Luft bekommt, sie suchen nach etwas Ungewöhnlichem, nach einem Strohhalm, nach einer Stecknadel.
    Die Hunde schnüffeln, sie haben an Tildas Schal gerochen, sie zerren an den Leinen. Meter für Meter gehen sie tiefer in den Wald. Max ist ungeduldig. Keine Spur von ihr, keine Reifenspuren, wo sie nicht sein sollen, nichts Ungewöhnliches, nur Natur, Land, egal in welche Richtung man schaut.
    Die Stimmung ist gedrückt, die wenigsten reden, es ist still eine Stunde vor Mittag am Waldrand. Wo kann sie sein? Er muss sie mit dem Auto dorthin gebracht haben, sie muss in der Nähe eines Fahrweges sein, oder er hat sie zu dem Loch getragen und die Kiste schon vorher dorthin gebracht. Paul und seine Kollegen hatten alle Möglichkeiten angedacht, sie rechnen mit allem, eine Kollegin wurde entführt, ihr Leben steht auf dem Spiel, sie müssen sie finden, egal wie, nur schnell, Tilda.
    Max in der Reihe mit den anderen, Baroni neben ihm. Wie sinnlos es Max vorkommt, wie aussichtslos, wie dumm er sich fühlt, wie hilflos. Wie er denjenigen hasst, der Tilda das antut, der ihm das antut, der mit ihm spielt, der ihm das Telefon in seine Wohnung gelegt hat. Egal wer es ist, egal woran er glauben soll, an Wagner, an jemand anderen, er hasst ihn, den Fremden, der seine Familie kaputt machen will. Max flüstert leise vor sich hin, flucht.
    Er steigt über Wurzeln und stellt sich vor, wie es ihr geht, wie es sich anfühlt, dort, wo sie ist. Dunkel, kühl, keine Möglichkeit, sich zu befreien, sich zu bewegen, ausgeliefert, angewiesen auf die Beine, die vielleicht in diesem Moment über sie steigen, weil jemand eine Grasnarbe übersehen hat, weil jemand nicht aufmerksam genug war, weil er nicht gesehen hat, dass die Erde an einer Stelle locker war, zu locker. Wie sie dann spürt, dass da oben etwas ist, dass sie über ihr sind, wie sie mit ihrem Telefon auf die Kiste einschlägt, weil sie niemanden anrufen kann, weil sie ihnen nicht sagen kann, dass sie ganz in ihrer Nähe sind, dass sie graben sollen, dass sie diese verdammte Kiste aus der Erde reißen sollen. Wie verzweifelt sie ist, wie die Angst sie lähmt, dass das passieren kann. Wie die Angst weh tut, ihr die Hoffnung nimmt. Wie sie das Telefon anstarrt, wie sie verzweifelt versucht, den Deckel nach oben zu drücken. Wie sie aufgibt, weil nichts sich rührt, weil ihre Schreie verstummen, weil nichts nach draußen dringt, nichts, das die Hilfe in ihre Richtung treibt. Sie ist allein. Immer wieder schreit sie. Sie hört die Hubschrauber. Wie sie brüllt, an den Holzwänden kratzt. Er sieht sie vor sich.
    Max wird schneller.
    Er darf keine Zeit verlieren, er muss sie finden, das geht alles zu langsam, bis das gesamte Gebiet abgesucht ist, vergehen Tage. Wie ein aufgescheuchtes Tier läuft er vor den Polizisten her, immer wieder geht er auf den Boden, wühlt im Staub, kriecht herum. Er flucht, jetzt laut und wütend, verzweifelt.
    Er irrt durch den Wald, er ist aus der Reihe ausgebrochen, er will sie finden, er will, er muss, er rennt, er geht, schleicht, kriecht, hört hin, was unter der Erde ist. Max ist außer sich, mit jedem Meter, den er geht, mehr, mit jedem Meter wird seine Angst größer. Die Angst, sie zu verlieren, Tilda. Wie sie ihn ärgert manchmal, wie sie ihn aus der Reserve lockt, sich über ihn lustig macht. Tilda. Ihr Humor, mit dem Max aufgewachsen ist, ihre liebenswerte Art, ihre Hilfsbereitschaft. Alles.
    Max schreit nach ihr, er wütet durch den Wald, reagiert nicht auf Ordnungsrufe des leitenden Beamten, er irrt von Baum zu Baum, verzweifelt. Bis Baroni zu ihm geht und ihn festhält. Max schlägt um sich, er will sich losreißen, er will weiter, sie suchen, sie finden, schnell. Doch Baroni hält ihn fest.
    – Hör auf damit, Max.
    – Wenn ich sie nicht finde, stirbt sie.
    – Nicht so.
    – Wie dann, verdammt? Es geht nur so.
    – Du kommst jetzt mit.
    – Ich suche weiter.
    – Max, wir gehen.
    – Wir müssen sie finden, verstehst du das nicht.
    – Ich lasse dich jetzt los. Du verhältst dich ruhig und wir reden.
    – Reden bringt uns nicht weiter, wir müssen diesen Scheißwald umgraben, sie ist da irgendwo.
    – Wenn ich dich loslasse, werden wir uns hinsetzen und darüber reden, was wir noch tun können, Max.
    – Nicht reden, Baroni, suchen, sie stirbt.
    – So schnell stirbt sie nicht, sie hat zu trinken, sie hat Luft, wir kümmern uns um sie.
    – Lass mich sofort los, sonst schlage ich zu.
    – Von mir aus.
    – Wir müssen sie finden,

Weitere Kostenlose Bücher