Fuer immer und alle Zeit
stieg und sich umsah; dann drehte er sich um und half einer hübschen jungen Frau beim Aussteigen. Sie hielt dabei schützend eine Hand an ihren Bauch, wie es schwangere Frauen taten. Niemand schien bei ihnen zu sein, es war nur die Landebahn zu sehen und darum herum Wald. Aber Darci sah Schatten, die sich zwischen den Bäumen bewegten. Hilflos schaute sie zu, wie der Mann und die Frau auf die Bäume zugingen. Sie sah, wie der Mann von hinten überfallen wurde und seine Frau mit ansehen musste, wie ihm die Kehle durchgeschnitten wurde.
Aufhören , flehte Darci. Bitte aufhören.
Aber es war noch nicht vorbei. Noch eine Vision kam, dieses Mal von Adams Mutter, hochschwanger und an ein Bett gefesselt. Sie lag in den Wehen und schrie, aber nicht wegen der Wehen. Nein, sie brüllte, weil das Kind aus ihr herausgeschnitten wurde.
Darci sah alles - und sie spürte die Schmerzen der Frau. Sie spürte, wie die Frau mit dem Blut, das aus ihrem Körper strömte, ihr Leben aushauchte. Niemand versuchte, die Blutung zu stoppen.
»Meine Babys«, sagte die Frau wieder und wieder, während sie langsam verblutete. »Meine Babys!«
Soll ich dir noch mehr zeigen?, fragte die Stimme.
»Nein«, flüsterte Darci, »nein, bitte, nichts mehr.« Sie lag auf dem Boden, die Knie an die Brust hochgezogen, und ihr ganzer Körper bebte.
Das ist eine Sache zwischen uns beiden, sie haben nichts damit zu tun. Hast du mich verstanden ?
Darci nickte. Sie umklammerte fest ihre Beine und spürte die Kälte der Fliesen unter ihr. Ihr war so kalt, dass sie wusste, ihr würde nie mehr warm werden.
Schläfere sie ein, sagte die Stimme. Du schläferst sie ein, und dann gehst du. Du wirst zu mir gebracht. Hast du verstanden?
Ja. Darci nickte. Ja.
Einige Momente lang herrschte eine selige Stille, und in Darcis Kopf war nur mehr die Erinnerung an das, was sie gesehen hatte. Sie war nicht mehr inmitten von etwas, das zu entsetzlich war, um es sich vorstellen zu können; sie war Teil von etwas, dem sie nicht Einhalt gebieten konnte.
Langsam stand Darci auf; ihr Körper war steif und eisig kalt. Sie ging zur Badewanne und drehte das Wasser ab. Dann ging sie, wieder sehr langsam, zum Waschbecken und betrachtete sich im Spiegel. Ihr Gesicht wies tiefe, blutige Schrammen auf; offenbar hatte sie sich im Verlauf ihrer Visionen selbst gekratzt. Jetzt brauchte sie in keinen Zauberspiegel mehr zu blicken, jetzt konnte sie Adam auch so sagen, was seinen Eltern zugestoßen war.
Aber sie wollte es ihm nicht sagen. Doch noch mehr wollte sie, dass ihm nicht dasselbe passierte.
Du kannst es, sagte sie sich. Vielleicht hatte ihr Vater Recht und sie hatte ihr ganzes Leben lang versucht zu unterdrücken, was sie mit ihrer »Gabe«, wie Taylor es nannte, alles bewirken konnte. Und vielleicht stimmte es ja auch, dass sie ihr Leben lang versucht hatte, so normal wie möglich zu sein. Aber andererseits war sie in der Lage gewesen, Adam und diesen bewaffneten Mann erstarren zu lassen. Ja, sie hatte die beiden effektiv bewegungsunfähig gemacht. Wenn sie das noch einmal tun konnte ... Wenn sie ihre wie immer geartete Kraft dazu nutzen konnte, diese schreckliche Frau lange genug festzuhalten, um ...
Wenn sie ehrlich war, dann wusste Darci nicht, was sie tun würde oder konnte, aber die Worte ihres Vaters ließen sie nicht los: »Du hast nicht gewusst, dass du das kannst, nicht wahr?«
»Dass ich Menschen mit meinen Gedanken töten kann?«, hatte sie zurückgefragt.
Konnte sie tatsächlich jemanden töten? Darci überlegte. Doch dann gingen ihr die Bilder wieder durch den Kopf, und sie wischte sich über das Gesicht, um sie zu vertreiben. Danach war ihre Hand blutig von den Kratzern, die sie sich beigebracht hatte.
Das Blut war an ihrer linken Hand, der mit den neun Muttermalen, die einen Turm bildeten, dieselbe Figur, die in Adams Brust geschnitten und eingebrannt wurde, als er noch ein kleiner Junge war.
Ja, dachte sie. Sie konnte töten. Sie konnte töten, um den Mann zu retten, den sie lieben gelernt hatte.
Sie atmete ein paar Mal tief durch, um sich zu beruhigen, dann setzte sie sich auf den Toilettendeckel und schloss die Augen. Gib mir Kraft, Gott, betete sie. Führe mich, beschütze mich, und gib mir die Kraft, diesem Schrecken ein Ende zu setzen.
Sie sagte laut »Amen«, und dann lenkte sie ihre Gedanken darauf, die drei im Zimmer schläfrig zu machen. Das erforderte Zeit und Konzentration, denn sie waren alle drei nervös, hellwach und voller Adrenalin. Aber
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