Für immer und eh nicht (German Edition)
Chaos zu seinen Füßen herum.
»Hier.« Ich hob seine Mütze und den Hammer vom Boden auf.
»Danke.« Er tätschelte mir zärtlich die Wange und hatte zum ersten Mal an diesem Abend wieder etwas Ähnlichkeit mit dem Vater, den ich kannte. »Wie war es eigentlich bei Hanna?«
»Wunderschön.«
»Du bist braun geworden. Hast du dich gut erholt?«
»Ja.«
»Wenn ich wieder mehr Zeit habe, musst du mir ausführlich von deinem Urlaub erzählen.« Damit war der private Teil der Unterhaltung für ihn offenbar beendet. Er setzte seinen autoritären Handwerkerblick auf und musterte skeptisch meine Kleidung. »Übrigens kannst du in diesen Sachen unmöglich helfen.«
Ich blickte an meinem T-Shirt und der Jeans hinunter. »Was ist falsch daran?«
»Hier oben ist es sehr warm. Du wirst schwitzen, wenn du diese Hose anbehältst.«
»Ich habe aber keine anderen Sachen dabei.«
»Macht nichts. Im Schlafzimmer liegen eine blaue Latzhose und ein altes T-Shirt von mir. Hab ich dir extra rausgesucht. Ich wusste, dass du mit falscher Kleidung kommst. Ich habe sogar schon die Hosenbeine abgeschnitten.«
»Deine Sachen passen mir nicht«, protestierte ich. »Die Hose wird rutschen.«
»Die Hose hat einen Latz und zwei Träger, die kann nicht rutschen. Das ist gute Qualität aus dem Baumarkt.«
»Es geht schneller, wenn du tust, was er sagt«, raunte Harald mir zu.
Vermutlich hatte er recht. Also zog ich mich um und kam wenig später mit der abgeschnittenen Latzhose und einem viel zu großen T-Shirt zurück, das ich mir links und rechts in die Hose gesteckt hatte. Gut, dass Raphael mich nicht so sehen konnte!
»Schick!« Harald pfiff anerkennend.
»Du siehst aus wie Papa. Ihr zwei solltet ein eigenes Modelabel für Handwerker eröffnen«, sagte Sebastian grinsend.
»Und du solltest deine kleine Pause beenden!«, gab ich böse zurück und nahm ihm die Bierflasche aus der Hand.
»Kinder!« Vater hob beschwichtigend die Hände. »Hört auf zu streiten und lasst uns weiterarbeiten.« Er wies Sebastian an, das Parkettholz abzumessen. Harald und ich wurden dazu eingeteilt, die Dämmfolie zu verlegen.
»Wie geht es deiner Hand?«, fragte ich, als wir zusammen auf dem Boden knieten.
»Gut. Danke noch mal für deine Hilfe.«
»Gern geschehen.«
Eine Weile lang arbeiteten wir schweigend weiter.
»Verdammt«, knurrte Sebastian auf einmal und kratzte sich ratlos am Kopf. »Ich kriege das mit den Maßen einfach nicht auf die Reihe. Wenn der Boden sechs Meter lang ist und ein Parkettholz zweitausendeinhundertachtzig Millimeter, wie lang sind dann die kurzen Hölzer, wenn ich zwei normal lange und zwei kurze Hölzer haben möchte?«
Ich brauchte einige Sekunden, um seine Frage zu verstehen und begann dann automatisch zu rechnen. Aber noch ehe ich etwas sagen konnte, antwortete Harald. »Du nimmst zwei Hölzer mit je zweitausendeinhundertachtzig Millimeter Länge und fügst noch zwei Hölzer mit je zweiundachtzig Zentimetern Länge hinzu.«
Erstaunt blickte ich ihn an. »Alle Achtung, das Ergebnis ist richtig.«
»Harald ist genauso ein Mathe-Freak wie du«, sagte Sebastian.
»Theresa hat früher alle Mathematik-Wettbewerbe in ihrer Schule gewonnen«, ergänzte mein Vater stolz. »Einmal war sie sogar Stadtsiegerin.«
»Das kann aber nicht in den Jahren gewesen sein, in denen ich angetreten bin.« Harald richtete sich auf und streckte seinen Rücken. »Da habe ich nämlich immer gewonnen.«
»Angeber!«
Er grinste.
»Wenn wir schon von Angebern sprechen«, mischte sich Sebastian wieder ein, »hast du Papa schon erzählt, dass dein neuer Freund ein Schloss besitzt und ein echter Graf ist?«
»Nein. Und das mit dem Angeber nimmst du sofort zurück!«
»Okay, das war gemein. Er gibt nicht damit an.«
»Stimmt das denn?«, frage mein Vater überrascht. »Ein Graf mit einem Schloss?«
»So ist es«, bestätigte ich stolz.
Er schüttelte ungläubig den Kopf. »Du musst ihn unbedingt mal mitbringen.«
»Hierher?« Ich versuchte, mir Raphael in diesem Chaos vorzustellen. Es gelang mir nicht.
»Er kann gern am Samstagabend kommen.«
Eigentlich hatte ich genau das vermeiden wollen. Aber der bittende Blick meines Vaters stimmte mich um. Irgendwann müsste ich Raphael sowieso in meine Familie einführen. Warum dann nicht gleich am Samstag?
»Einverstanden.«
»Fein.« Er nickte zufrieden. »Und jetzt lasst uns weitermachen.«
In den folgenden Tagen entwickelte ich mich zu einem Menschen mit mehreren Persönlichkeiten.
Für
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