Fuer immer und einen Tag
ausbezahlt und schlieÃlich auch einen neuen Küchenchef gefunden. Mit Beginn ihrer Beziehung zu Alex hatte Emmas Engagement dann allmählich nachgelassen, auch wenn sie immer noch hin und wieder Feuerwehr spielen musste. Die Liquiditätsprobleme, die dazu geführt hatten, dass Louise ihre Eigentumswohnung vermieten musste, bestätigten nur, dass ihre Schwester noch nicht ganz bereit für den Alleingang war.
»Was gäbe ich jetzt für die Kristallkugel einer Wahrsagerin«, sinnierte Emma, als die Glastür des Hauptausgangs in Sicht kam. »Aber glaub bloà nicht, dass ich die ganze Zeit bei Mum die FüÃe hochlegen werde.«
Louise, die Mühe hatte, den Rollstuhl um die anderen Leute im Gang herumzumanövrieren, warf Emma einen forschenden Blick zu. »Du denkst doch nicht etwa daran, wieder zur Arbeit zu gehen, oder?«
Emma machte ein leicht schuldbewusstes Gesicht, weil sie die Möglichkeit bis vor Kurzem tatsächlich in Erwägung gezogen hatte. »Na ja, ich brauche schon etwas mehr Lebensinhalt als nur Krankenhaustermine. Ich brauche ein Ziel, das war schon immer so«, sagte sie lächelnd und dachte, dass der freundliche Ladenbesitzer dasselbe sagen würde.
»Aber â¦Â«, begann Louise, während sie es nur knapp vermied, den Rollstuhl in einen alten Mann hineinzurammen.
»Nein, keine Sorge, selbst ich fände es ein bisschen zu viel, weiter bei Bannister zu arbeiten, aber nichts kann mich davon abhalten, dir unter die Arme zu greifen.«
»Oh doch, da gibt es etwas«, widersprach Louise.
Emma wusste, dass ihre Mutter sie mit allen Mitteln daran hindern würde, sich zu überanstrengen. »Abwarten«, sagte sie, als sie hinaus an die frische Luft traten.
Sie blieben unter dem breiten Vordach stehen, das einen gewissen Schutz vor den Elementen bot. Der Regen trommelte laut darauf, aber das war Musik in Emmas Ohren, und den feuchten Geschmack der Freiheit auf ihrer Zunge empfand sie als erfrischend und belebend. Gerade wollte sie Louise fragen, wo sie geparkt hatte, als es irgendwo hupte und sie erschrocken zusammenzuckte, mehr noch wegen des merkwürdigen Déjà -vu-Gefühls als wegen des Lärms.
Als ihr Herz zu hämmern aufhörte, senkte sich eine seltsame Stille herab. Keine vollkommene Stille, sie hörte immer noch den Wind pfeifen, aber das Fehlen eines bestimmten Geräuschs war auffällig. Der Regen hatte abrupt aufgehört, und als sie zum Himmel aufsah, blendete sie die hervorgekommene Sonne. Sie kniff die Augen zusammen, erhaschte dabei aber noch einen flüchtigen Blick auf etwas, das wie tanzende Schneeflocken anmutete. In den Sonnenschein blinzelnd sah sie genauer hin: Es waren keine Schneeflocken, sondern kleine weiÃe Papierfetzchen. Sie wusste, wenn sie sie einsammeln und zusammenkleben würde, würde sie eine Terminkarte mit Eselsohren in der Hand halten. Ein Schauder überlief sie, und sie griff nach den flatternden SchöÃen ihrer Jacke, um sie zuzumachen, bekam den Stoff aber nicht richtig zu fassen und wurde hektisch.
»Emma, ist alles in Ordnung?«, fragte Louise und legte beruhigend die Hand auf einen ihrer fuchtelnden Arme.
Als Emma ihre Schwester anstarrte, drang das Rauschen des Regens wieder in ihr Bewusstsein. »Meine Jacke«, sagte sie und versuchte immer noch, sie zu schlieÃen.
»Du hast keine Jacke an, Em.«
Emma fühlte Panik in sich aufsteigen und dann langsam wieder abebben. Sie erinnerte sich an das Hupen und an die Stille, die vom Regenprasseln vertrieben worden war, aber an nichts dazwischen. Nach und nach erkannte sie die vertrauten Anzeichen eines partiellen Anfalls â aufgrund der Lage ihres Tumors musste sie mit verstörenden Auswirkungen wie Déjà -vu-Erlebnissen und sogar Halluzinationen rechnen. Die medikamentöse Behandlung sollte zwar Schwellungen reduzieren und die Symptome eindämmen, war aber offenbar noch längst nicht optimal eingestellt.
»Sollen wir dich wieder reinbringen?«, erkundigte sich Louise besorgt.
»Auf keinen Fall«, sagte Emma und sah zu dem Wagen hin, der vor dem Krankenhausfoyer gehalten hatte. Es war der Lieferwagen, den Louise für das Bistro benutzte, und ein Mann saà am Steuer. Ben, der neue Küchenchef und einzige Lichtblick in den schwärzesten Stunden ihrer Schwester. So vertraut und freundlich sein Gesicht ihr entgegenblickte, musste Emma doch zunächst den bitteren
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