Fuer immer und einen Tag
nicht, sie auch selbst zu machen«, sagte sie leise.
Ben nahm seine Hand weg. »Sag mir, was ich tun muss, damit du nicht den ganzen Tag nur auf diesen Computer starrst, sondern etwas unternimmst«, wollte er wissen.
»Ich schätze, ich muss ein paar Recherchen betreiben«, gestand sie. »Die Handlung der Geschichte festzulegen ist schon schwer genug, aber ich kann noch nicht einmal die Orte beschreiben, an denen sie spielen soll.«
»Und wohin soll die Reise gehen?«
»Ãberallhin«, sagte Emma, als wäre es das Einfachste von der Welt. Der Fantasie waren ja angeblich keine Grenzen gesetzt, ihren Erfahrungen aber schon. »Im Moment bin ich auf dem Weg nach New York, aber da soll sie nicht enden. Ich möchte ⦠was weià ich, die sieben Weltwunder sehen und noch mehr. In Wirklichkeit bin ich aber nicht weiter als bis nach Spanien gekommen.«
Ben verzog das Gesicht. »Ich will dir ja nicht die Illusionen rauben, aber ich fürchte, das Einzige der klassischen sieben Weltwunder, das noch existiert, ist die groÃe Pyramide von Gizeh.«
»Siehst du, ich weià noch nicht mal, wohin ich überhaupt reisen kann !«
»Darf ich?«, fragte er und drehte ihren Computer zu sich herum.
Emma sah zu, wie er ein wenig herumtippte und dann eine ungehaltene Miene aufsetzte, die sie nicht gerade mit Zuversicht erfüllte.
»Der hat ja keine Internetverbindung«, beklagte er sich.
»Dieses Bistro hat ja auch kein WiFi«, entgegnete sie und machte sich in Gedanken eine Notiz, dem abzuhelfen, wenn sie weniger mit anderen Dingen beschäftigt war.
Jetzt runzelte Ben die Stirn, als er sich wieder ihrem Laptop zuwandte und darauf herumklickte. »Voilà «, rief er nach ein paar Minuten konzentrierter Anstrengung. Er drehte den Bildschirm wieder zu ihr herum, damit sie sah, dass er wundersamerweise eine Internetverbindung hergestellt hatte.
»Wie hast du das denn gemacht, oder sollte ich lieber nicht fragen?«
»Ich habe oben W - LAN , das heiÃt, eigentlich Steven, aber er hat bestimmt nichts dagegen. Ich habe dich einfach bei ihm eingeloggt.«
Emma bekam wieder Gewissensbisse, als sie daran erinnert wurde, dass Ben und Steven jetzt die Wohnung über dem Bistro bewohnten, während ihre Schwester im Grunde obdachlos war. Kurz spielte sie mit dem Gedanken, Ben zu überreden, doch noch eine Mitbewohnerin bei ihnen hineinzuquetschen, die zufällig auch ihre Vermieterin war, doch sie zügelte ihre Vorliebe für das Lösen von Problemen anderer und wandte sich wieder ihrem Schreibproblem zu. »Und was jetzt?«, fragte sie.
»Das Travellerâs Rest ist passend benannt, was mich betrifft. Komm, ich nehme dich auf eine Entdeckungsreise mit.«
Er hatte sich in eine Fotogalerie-Website eingeloggt, um Zugriff auf seine Online-Fotoalben zu erhalten. Emma machte sich darauf gefasst, mit Urlaubsbildern von betrunkenen Kumpels, die idiotisch grinsend und Bierflaschen schwenkend vor Touristenbars posierten oder auf gesichtslosen Stränden herumlümmelten, zu Tode gelangweilt zu werden.
»New York!«, japste sie. Auch ohne weit gereist zu sein erkannte sie die Skyline von Manhattan.
»Angeblich wurde die Freiheitsstatue nach dem Vorbild des Kolosses von Rhodos geschaffen, eines der sieben Weltwunder der Antike.«
Emma war zu sehr davon beansprucht, sich durch die Fotos zu klicken, um von Bens Wissensschatz, den er anscheinend unbedingt mit ihr teilen wollte, beeindruckt zu sein. »Die sind ja fantastisch.«
Das waren sie wirklich. Seine Fotosammlung dokumentierte eine Reise, die ihn in zahlreiche Ecken der Welt geführt hatte. Es war eine Mischung aus Panoramaansichten und faszinierenden GroÃaufnahmen: atemberaubende Landschaften, Wildtiere in Bewegung, hutzelige Einheimische, alles mit einer Präzision aufgenommen, die das Auge eines Künstlers erforderte, um die richtige Belichtung, die richtige Bildschärfe und den richtigen Moment zu wählen. Diese Fotos wären in National Geographic nicht fehl am Platz gewesen.
»Ich war eine Zeitlang mal ein ziemlicher Fotofreak.«
»Du solltest das beruflich machen«, sagte Emma.
Ben tat das mit einem Achselzucken ab. »Es war ganz schön und nützlich auf meinen Reisen, aber immer nur meine zweite Liebe. Meine erste ist Essen.«
Ihr wurde allmählich warm, also schlüpfte sie aus ihrem Mantel und lehnte sich bequem auf der Bank zurück.
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