Fuer immer und einen Tag
lieà sich auf die Sitzbank gegenüber fallen. Er rieb sich das Gesicht und wischte schnell den Anflug von Röte weg, der es zu überziehen drohte. »Aber ich muss zugeben, dass ich ziemliche Angst hatte, als ich dich vom Krankenhaus abgeholt habe.«
»Vor mir oder meinem Krebs?«, fragte Emma.
Ben nahm seine Mütze ab und zerknautschte sie in den Händen. Er sah aus, als wäre er kurz davor, die heitere Gelassenheit zu verlieren, die inner- und auÃerhalb der Küche zu seinem Markenzeichen geworden war. »Eher davor, was der Krebs dir schon genommen haben könnte, glaube ich. Ich dachte, du wärst ein bisschen weniger â¦Â«
»Lebendig?«
Ihr Gespür sagte ihr, dass jetzt nicht die üblichen Beileidsbekundungen aus seinem Mund kommen würden, und sie sollte recht behalten. Er stützte den Kopf auf die Faust und musterte sie forschend. »Vielleicht. Aber du siehst nicht aus wie jemand, der bereit ist, die Segel zu streichen.«
Emma hatte sich in Bens Gesellschaft schon immer wohlgefühlt und war oft selbst überrascht, wie sehr sie dazu neigte, sich ihm zu öffnen. Sie achtete seine Meinung und sein Urteil, was das Bistro betraf, und als er nun vor ihr saà und offen über seine Befürchtungen sprach, schien es nichts zu geben, was sie ihm nicht anvertrauen konnte.
»Nicht, solange noch so viel zu tun ist«, antwortete sie. »Ich werde nicht rasten und ruhen, bis ich Louise genug auf Vordermann gebracht habe, dass sie dieses Lokal erfolgreich allein führen kann, und dann passiert so einiges auf der Arbeit, bei dem ich mich im Grab umdrehen würde, wenn es so bliebe, also schätze ich, du hast recht. Die Segel streichen kommt nicht in Frage.« Emma rang erregt nach Luft. Endlich hatte sie jemanden zum Reden gefunden, der nicht bei der kleinsten Erwähnung von Tod und Sterben erschrak.
»Und warum hast du eben so stirnrunzelnd auf deinen Laptop gestarrt?«, fragte er.
Wie durch Magie zog sich ihre Stirn bei seinen Worten wieder in Falten. »Wahrscheinlich wegen dem Buch, das ich zu schreiben versuche.«
»Ach, so arbeiten groÃe Schriftsteller also? Durch Gedankenübertragung statt handfestes Tippen?«
»Ha, sehr komisch. Ich habe darauf gewartet, dass die Inspiration mich überkommt.«
»Und worum geht es in deiner Geschichte?«, fragte er, nicht ahnend, dass bisher nur Dr. Spelling in die Handlung eingeweiht worden war.
Der Ausdruck seiner Augen bewirkte, dass sie nur kurz zögerte, bevor sie ihm einen Einblick in ihr Projekt gewährte. »Okay, aber das ist streng geheim, du darfst niemandem davon erzählen«, sagte sie, als hätte er sie zuvor stundenlang bearbeitet. »Es geht um eine Frau wie mich, die den Kampf gegen die Krankheit geführt hat, nur dass sie ihn gewinnt. Sie bekommt das, was ich nie bekommen habe, sie wird geheilt.« Emma unterbrach sich lange genug, dass Ben sein Einverständnis nicken konnte, was er zuvorkommend tat. »Ich will über das schreiben, was sie in der Folge aus ihrem Leben macht. Man soll zwar über Dinge schreiben, mit denen man sich auskennt, aber mir geht es gerade darum zu erzählen, was in meinem Leben nicht vorgekommen ist.«
»In deinem Leben? Diese Frau ist dir also ähnlich, sie ist praktisch du?«
Emma zog eine Schnute, doch nun war es heraus. »Ich komme nur nicht um die Tatsache herum, dass ich nicht genug erlebt habe, das ich verwerten kann.«
»Hm, irgendwie finde ich, dass du dir damit einen schlechten Dienst erweist. Man sollte meinen, dass jemand, der so viel durchgemacht hat wie du, weià Gott genug Erfahrungen gesammelt hat.«
»Erfahrungen damit, dem Tod ins Auge zu sehen, ja, aber keine Lebenserfahrung. Ich bin noch nirgends gewesen, ich habe kaum was unternommen«, sagte sie beinahe flüsternd. Sie lieà den Kopf hängen, als das bisschen Hoffnung, an das sie sich klammerte, auch noch zerrann.
Ben beugte sich vor und hakte einen Finger unter ihr Kinn, damit sie ihn ansah. »Ich dachte, wir wären gerade übereingekommen, dass du das Leben noch nicht aufgegeben hast. Es ist immer noch genug Zeit, alle möglichen Erfahrungen zu machen und darüber zu schreiben.«
Emma senkte den Blick und wollte das Gleiche auch wieder mit ihrem Kopf tun, aber Bens Hand lieà nicht locker. Sie drehte sich weg, um sich ihm zu entziehen. »Zeit, darüber zu schreiben vielleicht, aber
Weitere Kostenlose Bücher