Fuer immer und einen Tag
müssen.«
Sie sah ihm nach, wie er in die Küche zurückeilte und sich dabei das Gesicht rieb, als würden seine Wangen genauso brennen wie das Essen, das er im Stich gelassen hatte.
Emma schwieg auf der ganzen Fahrt nach Hause und war dankbar, dass Steven keine Konversation zu machen versuchte. Möglicherweise hatte er etwas von dem Gespräch mit Alex mitbekommen, aber allein schon die eisige Stimmung zwischen ihnen würde ihm verraten haben, dass es mit ihrer Beziehung nicht zum Besten stand.
»Möchtest du, dass ich dich hinaufbringe?«, fragte er, als sie auf dem Parkplatz des Wohnhauses hielten.
Emma schüttelte den Kopf. »Nein, fahr ruhig gleich zurück, ich habe deine Zeit schon genug in Anspruch genommen.«
»Du kannst meine Zeit jederzeit in Anspruch nehmen«, sagte Steven. »Ben und ich stehen dir ganz zur Verfügung, das weiÃt du.«
»Wie die Brüder, die ich nie hatte«, sagte Emma, während sie aus dem Auto stieg.
Stevens Antwort wurde von einer starken Bö verzerrt, die an ihrem dünnen Kleid riss. »Gute Nacht, Steven«, rief sie durch den Wind hindurch, der über den Fluss herüberpeitschte und nach Salz schmeckte.
Sie winkte ihm nach, aber er fuhr nicht los, sondern bestand darauf zu warten, bis sie sicher im Haus war, also überquerte sie brav unter seinen Augen den Parkplatz. Links von ihr wand sich ein FuÃweg um den Wohnblock herum bis zur Uferpromenade, und wenn sie nicht unter Beobachtung gestanden hätte, wäre sie möglicherweise versucht gewesen, sich ihrem goldenen Käfig noch ein Weilchen zu entziehen und zum Fluss hinunterzugehen. Das Heulen des Windes und das Kreischen der Möwen wären das passende Hintergrundgeräusch zu dem Schrei, der sich in ihrer Kehle angestaut hatte. So aber drehte sie sich nur noch einmal um und winkte, bevor sie in das Licht des Eingangsbereichs trat und sich von dem Gebäude verschlucken lieÃ.
In der kalten Luft vom Fluss her hatte sie wieder einen klaren Kopf bekommen, und sie lieà sich Zeit auf dem Weg zu der Wohnung im obersten Stock, um ihre Gedanken zu ordnen. Sie fühlte sich so allein. Der Tumor saà in ihrem Körper, in niemandes sonst. Selbst die, die ihr am nächsten standen, konnten nur von auÃen zusehen. Sie mochten mutig genug sein, um ihr beizustehen, aber sie konnten ihr nur den Mantel halten, während sie sich für den Kampf wappnete. Vielleicht war es zu viel von Alex verlangt gewesen, sie auf dieser Reise zu begleiten, aber wenn sie tatsächlich sterben musste, dann sollte es in den Armen eines Mannes sein, der sie liebte. Natürlich hatte sie ihre Mutter, die sie halten und stützen würde, und das war sehr wichtig, aber wenn das Ende kam, wollte sie als Frau sterben, nicht als Kind.
Der Gedanke ans Sterben war ihr in den vergangenen Jahren so vertraut geworden, hatte so sehr ihre Sichtweise auf alles bestimmt, dass er oft keine emotionale Reaktion mehr auslöste, doch nun brannte sich der zuletzt gedachte Wunsch in ihr Bewusstsein ein, als sie gerade den Schlüssel in die Wohnungstür stecken wollte. Reflexartig lieà sie den Schlüsselbund fallen wie heiÃe Kohlen. Ich will nicht sterben, schrie es in ihr.
Es kostete sie ihre ganze Willenskraft, sich nicht stillschweigend in ihr Zimmer zu verdrücken, ohne Bescheid zu sagen, dass sie zurück war. Sie wollte sich nicht dem forschenden Blick ihrer Mutter aussetzen, und sie hatte auch nicht mehr die Energie dafür, sich gesellig zu geben. Als sie pflichtbewusst ins Wohnzimmer hinüberging, spannte sich ihr ganzer Körper in Vorbereitung auf das Kreuzverhör an.
Lautlos wie ein Gespenst betrat sie das Zimmer, und Louise sprang vor Schreck auf. Sie hatte neben ihrer Mutter am Esstisch gesessen und sich über einen Haufen darauf verstreuter Unterlagen gebeugt. Manche waren bedruckt, andere handgeschrieben. Wortzeilen und Zahlenreihen.
Megs Reaktion war beherrschter; ohne hinzusehen schob sie die Papiere zusammen, während sie Emma fixierte. »Was machst du denn schon zu Hause? Was ist passiert? Wo ist Alex?«, wollte sie wissen.
Es kostete Emma nicht viel Fantasie, um zu dem Schluss zu kommen, dass es bei dem, was die beiden da ausheckten, um sie ging. Sie wollte es eigentlich gar nicht wissen, aber sie fragte trotzdem. »Was führt ihr zwei da im Schilde? Ihr seht so schuldbewusst aus.«
»Ich helfe Louise dabei, ein paar
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