Fuer immer und einen Tag
Geschichte aufnehmen soll, dann schreibst du vielleicht lieber dein eigenes Buch und lässt die Finger von meinem.«
»Ich?«, gluckste Ben kopfschüttelnd. »Falls es dir noch nicht aufgefallen ist, meine Schreibkünste beschränken sich auf die Tafel mit den Tagesempfehlungen. Du bist es, die Englisch studiert hat.«
Inzwischen hatten sie den Aufzug betreten, wo Emma beschloss, ihre Erkundungen entgegen Bens Rat mit der Welt der Antike im dritten Stock zu beginnen. »Natürlich kannst du schreiben«, widersprach sie. »Denk mal, wie viel du mir jetzt schon bei meinen Recherchen geholfen hast, das beweist, dass du einfallsreich bist. Und du verstehst etwas von Computern, findest dich im Internet zurecht â¦Â«
»Ach, eine Internetverbindung zustande zu bringen ist nicht schwer, und okay, manchmal habe ich auch den einen oder anderen Einfall«, sagte er, als sie mit dem Lift dem Ziel ihrer Wahl entgegensausten. »Aber die Gedanken vernünftig zu ordnen und die richtigen Worte zu finden, um sie auszudrücken, das ist ein anderes Problem.«
Emma wollte nicht aufgeben. Ihre Nervosität war verflogen, sie war wieder eine erwachsene Frau, die Lust hatte, ein neues Projekt anzugehen. »Ich könnte dir die Grundlagen des kreativen Schreibens beibringen«, schlug sie vor, während ihre Fantasie schon wieder mit ihr durchging. Sie könnte ihr Wissen an Ben weitergeben, damit ihr Schreiben weiterlebte, wenn sie es schon nicht konnte. Sie stellte sich das wie eine Szene aus My Fair Lady vor, nur dass sie Professor Higgins wäre. »Wir würden mit einfachen Dingen wie Grammatik, Satzstruktur, rhetorischen Figuren anfangen.«
Ben lachte und schüttelte immer noch den Kopf, als sie den Aufzug verlieÃen. »Dieses Zeug habe ich schon in der Schule nicht in meinen Kopf gekriegt. Ich war wie ein Fisch auf dem Trockenen.«
»Siehst du!«, sprudelte Emma. »Du hast gerade eine treffende Metapher verwendet. Natürlich könntest du Schriftsteller werden, du musst nur an dich glauben.«
Ben grinste sie an. Er hatte einen Köder ausgelegt, und sie hatte ihn in ihrem Drang nach neuen Herausforderungen sofort geschluckt. »Wir wollen uns lieber erst mal auf das konzentrieren, was anliegt, ja? Draufhalten und auslösen, das ist so ziemlich alles, womit ich dir dienen kann«, sagte er und hob die Kamera um seinen Hals hoch.
»Vergiss nicht, ich habe deine Fotos gesehen. Ich glaube, deine Fähigkeiten gehen ein bisschen über Draufhalten und Auslösen hinaus.«
Bevor er etwas erwidern konnte, marschierte sie voraus, klapperte ganz bis ins alte Ãgypten hinein. Hier atmete sie den muffigen Geruch einer anderen Zeit und Welt ein. Die Raumtemperatur entsprach zwar nicht gerade der Hitze Nordafrikas, doch die hier und da aus den Schatten hervortretenden mumifizierten Ãberreste halfen ihr dabei, sich an die Stätten der jahrtausendealten Gräber einer untergegangenen Kultur zu versetzen. Die Steinrelikte fühlten sich beim Berühren kühl, aber nicht kalt an, und sie schloss die Augen und verlangte ihrem Vorstellungsvermögen das ÃuÃerste ab.
»Ich möchte durch das Tal der Könige wandern«, flüsterte sie.
»Gute Wahl«, stimmte Ben gedämpft zu.
Sie sprachen wenig, als Emma von einem Ausstellungsstück zum nächsten ging und die Beschreibungen und Informationstafeln las. Vor einem groÃen Steinsarkophag blieben sie stehen und sah Ben an. Er fühlte sich offensichtlich sehr unbehaglich.
»Mir scheint, das war doch keine so gute Idee«, gestand er und lieà seinen Blick über die Exponate schweifen, die nur ein gemeinsames Thema hatten.
»Warum?«, fragte Emma. Sie forderte ihn mit schmalen Augen heraus, weiterzusprechen und nicht wie alle anderen feige vor dem Wort zu kneifen.
»Ich dachte, du bekommst hier ein paar Anregungen, um übers Leben zu schreiben, aber das hier«, sagte er, auf einen Glaskasten zeigend, der die Mumie einer armen, uralten Seele beherbergte, »handelt alles vom Tod. Im Grunde geht es im ganzen Museum nur um die Vergangenheit. Es mag als Loblied auf die Menschheit und die lebendige Welt gedacht sein, aber die Ausstellungsstücke hier sind nun mal alles andere als lebenssprühend.«
Emma wusste nicht, was sie darauf sagen sollte, also ging sie weiter durch die ausgestellten Objekte und hielt schlieÃlich vor einer Texttafel inne, von der
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