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Fuer immer und ledig - Roman

Fuer immer und ledig - Roman

Titel: Fuer immer und ledig - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henrike Heiland
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großen Schwester nicht hatte beibringen können. Ein paar Minuten später war ich umgeben von aufgeregten Erwachsenen, und wiederum eine halbe Stunde später war Finas Name von der Schülerliste gestrichen und durch meinen ersetzt worden. Man könnte auch sagen: Ohne die haarsträubende Unmusikalität meiner
Schwester hätte ich niemals ans Klavier gefunden. Und was ich heute ohne mein Klavier wäre, das kann ich mir überhaupt nicht vorstellen.
    Aber zurück zu meiner großen Hoffnung: Es gab nämlich noch eine zweite Nische, die mir Fina übrig ließ. Sie war damals sechzehn, war beim Reiten gestürzt und hatte sich den linken Arm gebrochen. Fina fluchte sehr laut und sehr wild, offenbar hatte sie Angst, einen bleibenden Schaden von dem Bruch davonzutragen. Sie fürchtete nichts so sehr wie Narben. Ihre Eitelkeit darf man ihr noch nicht einmal vorwerfen, zieht man ganz nüchtern in Betracht, wie jeder mit ihr umging. Wenn ein Mädchen zeit ihres Lebens gesagt bekommt, wie unglaublich hübsch und einzigartig schön und makellos es doch ist, kann es nicht anders, als sein Spiegelbild als das Maß aller Dinge und sich selbst als Gottesgeschenk anzusehen.
    Fina fluchte also vor sich hin, und unsere Mutter sagte den dämlichen Spruch: »Bis du heiratest, ist da nichts mehr von zu sehen.«
    Fina sagte dazu nur: »Ich heirate ganz bestimmt nicht. Elender Spießerkram, dieses scheiß Heiraten.«
    Das merkte ich mir: Fina würde also nie im Leben heiraten? Dafür würde ich heiraten! (Und es nebenbei noch meiner Mutter beweisen, die nach wie vor behauptete, ich würde wohl nie einen Kerl abbekommen.) Ich überlegte kurz, wie sich ein Brautkleid am Klavier machen würde, entschied dann, dass ich auch mal kurz ohne Klavier sein könnte, und kümmerte mich ab sofort
um die Planung meiner Hochzeit. Allerdings beschränkte sich mein Wissen um Hochzeitsvorbereitungen damals auf die Auswahl eines Brautkleids und würde so schnell nicht darüber hinausgehen. Man ist ja auch hinreichend beschäftigt mit so einem Kleid. Angesichts der überwältigenden Vielfalt möglicher Brautkleidmodelle sollte man sich sowieso nicht allzu eilig festlegen. Man muss schon wissen, was man will und was zu einem passt, sonst macht die ganze Hochzeit später keinen Spaß.
    Wie gesagt: Man kann nicht einfach nur heiraten. Man muss in etwas heiraten.
     
    Und ausgerechnet jetzt, wo mein Traumkleid nur noch ein paar Nadelstiche davon entfernt war, zum Einsatz zu kommen (Tim würde bestimmt Gas geben, wenn ich nur lange genug bettelte), trieb es mein Verlobter im Orchestergraben mit einer anderen, und ich sollte schon wieder Pluspunkte an meine Schwester abgeben. Sie hatte alles im Leben bekommen (abgesehen von musikalischem Talent, aber man sah ja an mir, dass das nicht besonders weit führte), sie war immer für alle Menschen, die uns beide kannten, die Nummer eins gewesen.
    Nein, entschied ich, ich musste es vor ihr vor den Altar schaffen. Ich konnte mir nicht für den Rest meines Lebens von ihr die Butter vom Brot nehmen lassen. Diesmal nicht.
    Zufrieden sah ich aus dem Taxifenster. Wir waren
gleich am Jungfernstieg, und in fünf Minuten würde ich nach sechs Jahren Marc wiedersehen. Tja, liebe Fina, dachte ich, das Rennen ist eröffnet.

8
    Kein Ehering. Das war das Erste, was mir auffiel. Als Nächstes sah ich einen immer noch unglaublich attraktiven Mann. Aber er hatte sich verändert. Er wirkte viel eleganter und viel, na ja, erwachsener als damals. Marc trug ein schwarzes Hemd zu einem Anzug in schimmerndem Business-Schwarz, und ich kam mir vor wie ein Papagei. Überhaupt fühlte ich mich in dem teuren japanischen Restaurant mit Alsterblick vollkommen fehl am Platz. Mit den Läden, in denen ich mir sonst mein Sushi holte, hatte das hier nämlich gar nichts mehr zu tun. An den weißen Wänden hingen schlichte Grafiken, die japanische Schriftzeichen zeigten (oder zumindest etwas, das ich für japanische Schriftzeichen hielt), und die Stühle und Tische waren von schlichter schwarzer Eleganz. Marc sah aus, als hätte man ihn extra für diese Location eingekleidet. Er bekam ja gleich einen super Eindruck von mir. So, wie er mich von oben bis unten musterte, konnte das nur eins bedeuten: Er dachte, ich wäre noch zu blöd, um mich anständig anzuziehen. Hätte ich wenigstens meine eigenen Klamotten an, wäre alles vielleicht nur halb so schlimm, aber so …

    »Endlich ein bisschen Farbe in diesem Tag«, sagte er, nachdem er mich umarmt hatte.
    Okay.

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